Auf ewig und einen Tag - Roman
wir kommen rauf und sind für sie da.«
»Vielleicht«, antwortete ich. »Aber noch nicht jetzt. Lass mich zuerst mit Eve sprechen. Ich verspreche dir, dass ich mich wieder melde.«
Georgia antwortete nicht. Hatte ich sie verletzt? Aber dann räusperte sie sich. »Sie sollte es wissen.«
Ich wartete eine Weile. War mir irgendwas entgangen? »Wie bitte?«
»Deine Mutter. Deine Mutter sollte es wissen.«
»Es gibt eine Menge, was sie wissen sollte.«
»Ich hab ihre Nummer.«
»Du hast was?«
»Ich hab sie irgendwo aufgeschrieben. Bert! Kommst du mal …« Es knackte an meinem Ohr, und meine Gedanken rasten. Was sagte sie da? Sie hatte eine Telefonnummer? Wie war das möglich?
Georgia kam wieder zurück. »Bert ist wunderbar. Ich schwöre, ohne ihn würde ich meine eigene Nase verlieren.«
»Wie kannst du ihre Nummer haben? Hast du mit ihr gesprochen? Warum zum Teufel hast du uns nichts davon gesagt?«
»O mein Gott, Kerry, ich weiß, aber wir dachten, wir würden das Richtige tun, wirklich. Wir haben sie vor Jahren angerufen, als dein Vater starb …«
»Du hast gesagt, du konntest sie nicht erreichen!«
»Sie wollte euch nicht sehen, Kerry. Sie wusste, dass sie keine gute Mutter sein konnte, denke ich, und ich war, ehrlich gesagt, ganz ihrer Meinung. Wie konnte ich euch sagen, dass sich eure Mutter geweigert hat, euch auch nur zu besuchen? Es hätte euch das Herz gebrochen.«
Mein Rücken und meine Arme gaben nach. Sie wollte mich nicht sehen. Wir schwiegen eine Weile, bevor Georgia fragte: »Wirst du sie anrufen?«
»Ich weiß nicht. Du kannst mir die Nummer ja geben, aber ich weiß es wirklich nicht.«
Georgia las mir die Nummer vor, ich griff nach einem Stift und schrieb sie auf eine Serviette. Verwirrt starrte ich auf die Ziffern. »Vorwahl 6-1-7. Sie ist in Boston.«
»Ich glaube schon. Zumindest war sie das, als wir mit ihr gesprochen haben. Das ist Jahre her, aber damals hab ich zum letzten Mal von ihr gehört.«
Das konnte nur ein Witz sein, Gott musste sich da oben den Bauch halten vor Lachen. War es tatsächlich möglich, dass sie die ganze Zeit, während ich diese Frage mit mir herumtrug und ständig einen Druck spürte, als wäre eine drängende Faust hinter allem, bloß zehn Minuten entfernt von mir lebte? Warum hatte ich das nicht gefühlt? »Danke«, sagte ich leise. »Danke, Georgia, ich melde mich wieder.«
Ich legte den Hörer auf, nahm die Serviette mit der Nummer meiner Mutter und steckte sie in die Tasche meiner Jeans. Ich wusste natürlich, dass ich sie anrufen würde. Und ich wusste, dass ich Eve nichts davon sagen konnte.
Ich wartete, bis Justin wegging, um die Post zu holen, setzte mich dann mit kribbelndem Bauch in die Küche, eine Hand lag auf dem Telefon, in der anderen hielt ich die Nummer meiner Mutter. Ich klopfte viermal mit dem Fuß, hob ab und lauschte dem Klingelton. Ich klopfte erneut viermal und legte den Hörer wieder auf. Dann stand ich auf und ging zum Fenster. Was für ein herrlicher Tag draußen, und ich fiel wieder in meine alten Marotten zurück.
Ohne mir einen weiteren Gedanken zu gestatten, hob ich den Hörer wieder ab und wählte die Nummer. Ich ließ es zweimal klingeln. Mit stockendem Herzen warf ich den Hörer zurück auf die Gabel. Was sollte ich sagen? Wie sollte ich sie überhaupt nennen? Mom? Mrs. Barnard? Benutzte sie diesen Namen noch? Diana. Hallo, Diana, hier ist Kerry Barnard. O Gott.
Aus dem Hobbyraum hörte ich Eves trockenen Husten und wie sie kämpfte, um Luft zu bekommen. Inzwischen geriet sie noch schneller außer Atem und hatte das Gehen fast völlig aufgegeben. Unsere Mutter sollte Bescheid wissen, hatte Georgia gesagt, aber wenn sie Eve jetzt sähe, was hätte sie dann davon? Sie würde einen Schatten sehen, keine Tochter, keine Person, die den Aufwand lohnte.
Ich schloss die Augen, bis ich hörte, wie sich Eves Atmung beruhigte, dann wählte ich noch einmal die Nummer.
Ein Klicken und ein Zischen, dann eine Stimme. »Hallo, ich bin leider im Moment nicht zu Hause …« Ich knallte den Hörer
auf. Das war sie. Das war die Stimme meiner Mutter. Ich wählte erneut.
Ein, zwei, drei Klingeltöne, klick-zisch. »Hallo, ich bin im Moment leider nicht zu Hause …« Ich legte auf.
Sie hatte einen starken Bostoner Akzent, der mir eine Gänsehaut verursachte. Sie klang harsch, großstädtisch, fast maskulin, wie ein Gebrauchtwagenhändler. Nicht wie ich erwartet hatte. Ganz und gar nicht.
Ich wählte noch einmal und versuchte,
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