Auf ewig unvergessen
ein ungewöhnlicher Fall. Unglücklicherweise gab es keine Nachbetreuung, nachdem sie entlassen wurde.«
»Warum das?«
»Ihr Mann hat sich nach der Scheidung geweigert zu bezahlen, und die Nachbehandlung war nicht durch die Versicherung abgedeckt. Wie dem auch sei, ich bezweifle, dass Samantha zugelassen hätte, dass ich mich in ihre Angelegenheiten mische, nachdem sie ihre Freiheit wiederhatte. Sie hat alles, was mit der Klinik in Verbindung stand, gehasst.«
»Was können Sie mir über Mrs. Reardon erzählen?«
»Aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht würde ich Ihnen normalerweise gar nichts erzählen. Aber bei Ihrem Anruf hat sich ja die Möglichkeit abgezeichnet, dass Samantha vielleicht zu einer Gefahr für andere werden könnte. Da muss unter Umständen die ärztliche Schweigepflicht hintenan stehen.«
»Sie könnte möglicherweise in eine Reihe von Morden in Portland verstrickt sein.«
»Das haben Sie erwähnt. Gibt es eine Verbindung zwischen den Morden und ihrer Gefangenschaft in Hunters Point?« fragte Dr. Flint.
»Ja. Wie kommen Sie darauf?«
»Das sage ich Ihnen gleich. Geben Sie mir noch einen Moment Zeit. Zuerst muss ich den Grund dafür wissen, warum Sie die Informationen haben wollen.«
»Der Ehemann eines der Opfer, gleichzeitig war er der Vater des kleinen Mädchens, das ebenfalls ermordet wurde, hieß Peter Lake. Vor acht Jahren ging er nach Portland, um ein neues Leben zu beginnen. Nun kopiert jemand in Portland die Geschehnisse in Hunters Point. Wissen Sie, was die entführten Frauen in Hunters Point erdulden mussten?«
»Natürlich. Ich habe Samantha behandelt. Ich hatte Zugang zu allen Polizeiakten.«
»Dr. Flint, wäre Samantha Reardon in der Lage, eine andere Frau so zu foltern, wie sie gefoltert wurde, um meinen Klienten ans Messer zu liefern?«
»Eine gute Frage. Es gibt nicht viele Frauen, die Folterungen erdulden und dann andere Frauen ebenso foltern können, aber Samantha Reardon war in keiner Beziehung normal. Wir alle sind Persönlichkeiten, die sorgfältig abgestimmt sind. Unseren Charakter zu verändern ist normalerweise sehr kompliziert, wenn nicht gar unmöglich. Verwirrte Menschen haben fehlgesteuerte Persönlichkeiten. Die Zeichen, an denen man das erkennt, hängen von der jeweiligen Art der Fehlsteuerung ab.
Vor der schrecklichen Erfahrung hatte Samantha Reardon eine, wie wir es nennen, Grenzpersönlichkeit, die zwischen Neurose und Psychose angesiedelt ist. Manchmal legt eine solche Person psychotisches Verhalten an den Tag, aber im Allgemeinen wurde man sie als neurotisch einstufen. Samantha zeigte perverse sexuelle Neigungen, asoziales Verhalten wie Scheckfälschung und Ladendiebstahl, hatte Angstzustände. Ihre Beziehung zu ihrem Exmann beweist dies deutlich. Es gab Perioden von sexueller Gier, und manchmal war sie psychisch so instabil, dass es unmöglich war, vernünftig mit ihr zu reden. Dazu kam noch, dass sie extrem auf sich fixiert war. Wenn sie beim Diebstahl ertappt wurde, waren ihr die Strafen egal, sie hatte keinerlei Gewissensbisse. Sie benutzte den Sex, um ihren Mann zu etwas zu überreden oder Geschenke von ihm zu erhalten. Sie hat ihn finanziell ruiniert, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen. Als Samantha entführt und gefoltert wurde, kippte ihre Persönlichkeit, und sie wurde psychotisch. Wahrscheinlich befindet sie sich auch jetzt noch in diesem Zustand.
Samantha sah ihren Aufenthalt hier in St. Jude als Fortsetzung ihrer Gefangenschaft an. Ich war der einzige Arzt, zu dem sie Vertrauen fasste, wahrscheinlich weil ich die einzige Frau in der Ärzteschaft war. Samantha Reardon hasste alle Männer und misstraute ihnen. Sie war davon überzeugt, dass der Bürgermeister von Hunters Point, der Polizeichef, der Gouverneur und manchmal sogar der Präsident der Vereinigten Staaten, überhaupt alle Männer, sich verschworen hätten, um den Mann zu schützen, der sie gequält hatte.«
»Also«, warf Stewart ein, »ist es möglich, dass sie ihre Phantasien auslebt, wenn sie den Mann gefunden hat, den sie für ihre Gefangenschaft verantwortlich macht?«
»Ganz sicher. Solange sie hier war, sprach sie von nichts anderem als Rache. Sie hielt sich für einen Racheengel, der gegen die Mächte der Dunkelheit kämpft. Sie hasst ihren Entführer, aber sie ist eine Gefahr für alle Männer, denn sie sieht in ihnen nur Unterdrücker.«
»Aber die Frauen? Wie war sie in der Lage, diese Frauen zu foltern, nach dem, was sie selbst durchgemacht
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