Auf fremdem Land - Roman
äthiopische Soldat, in dem Würfel aus Holz, dem kleinen, Geruch von Farbe und explosiven Leimen, steht er allein und will weinen, er erinnerte sich mit Leichtigkeit, und Brechreiz stieg in seiner Kehle auf, wie konnte er dem Vater so etwas über seine Tochter erzählen, warum war er gekommen, was für ein Fehler, es war doch nur ein Vorwand gewesen, um von zu Hause, vor Scha’ulits Blick zu flüchten, den er nun wieder erbarmungslos auf sich brennen fühlte …
»Was ist los, Nir? Du schaust aufgewühlt aus. Ist alles in Ordnung?« Otniel legte eine Hand auf Nirs sommersprossigen, sonnenverbrannten Arm, und fast hätte Nir geweint, doch er biss sich auf die Lippe und beherrschte sich. »Was ist los?«, wiederholte Otniel mit sanfter Stimme.
»Nein … es ist nur … gut, schau mal. Vor einiger Zeit, am Abend, bei der Wache, bin ich am Spielplatz vorbeigegangen, und plötzlich hab ich was gehört …« Er verstummte lang genug, dass Otniel ihn ermutigten konnte.
»Ja, und?«
»Ich weiß nicht. Weißt du, was? Vergiss es, ich bin einfach … es ist nichts, anscheinend hab ich …« Nir stützte die Handflächen auf seine Knie, als wollte er gleich aufstehen, doch Otniel legte ihm wieder die Hand auf den Arm, um ihn zu beruhigen.
»Sag das, wozu du gekommen bist. Es ist gut, dass du gekommen bist. Manchmal hören oder sehen wir Dinge, die wir nicht wollen, bei denen wir nicht sicher sind, was sie bedeuten, aber es ist wichtig, sie mitzuteilen, du weißt offenbar, dass du etwas Wichtiges gehört hast, auch wenn es dir jetzt auf einmal überflüssig erscheint.«
Die Stickigkeit in der abgeriegelten Hütte, der Geruch der Farben, die animalischen Geräusche des Schwarzen, das Geflüster oder vielleicht Laute der Not seitens der Attackierten? Und dazu – die Verwirrung in seinem Leben, die Spannung zu Hause, die Vorwürfe von Scha’ulit …
»Jenia Freud«, sagte er am Ende und hob den Blick zu Otniel.
»Was ist mit ihr?«
»Ich weiß nicht. Es war komisch. Sie redete am Telefon, so leise, am Spielplatz, als ob sie sich vor jemandem versteckte. Über Roni Kupfer. Über Araber. Ich weiß nicht. Es war merkwürdig. Vielleicht hätte ich nicht kommen sollen.« Er stützte wieder die Hände auf die Knie, und diesmal stand er auf.
Otniel hielt ihn nicht zurück, doch sein Gesichtsausdruck war ernst. »Du meinst, dass sie die Informantin vom Schabak ist?«
»Was?« Nir hatte nicht in diese Richtung gedacht. Er war immer noch bei Gittit. »Eh … weiß nicht … glaubst du?«
Otniel verzog nachdenklich den Mund.
»Hör zu. Elazar Freud war zwar Offizier in der Armee und ist in einer Siedlung aufgewachsen, aber große Idealisten sind sie nicht. Er macht was mit Computern, er hat’s mir mal erklärt, Google irgendwas, Recherche, Werbung, wallah , ich hab nichts kapiert. Hast du verstanden, was er macht?«
»Ich erinnere mich bloß, dass er einmal zu mir gesagt hat, dass er es satt hat, Lehrer zu sein und jeden Tag nach Jerusalem zu fahren. Und Jenia ist Mathematiklehrerin, oder?«
»Ich hab kein Problem«, sagte Otniel, »mit Bewohnern, die wegen der Landschaft und der Ruhe und dem Mietpreis hierherkommen – jeder jüdische Siedler wird mit Segen aufgenommen. Aber man könnte sagen, ich bin geschockt, dass sich von dort das Böse aufgetan hat.«
»Na gut, wir sind nicht sicher, ich will nicht, dass …«
»Nir. Danke.« Otniel legte ihm seine Hand auf die Schulter. »Das hast du gut gemacht. Bist du bereit, mir zu helfen, das zu untersuchen? Ich hätte nur gern, dass so wenig Leute wie möglich momentan was davon erfahren, mach es nicht publik.«
Am nächsten Nachmittag, am Spielplatz Sheldon Mamelstein, als alle Kinder ringsherum tobten, begann Chilik Jisraeli mit Jenia zu reden. Es war nach einem scheinbar zufälligen Zusammenstoß der Köpfe seines Boaz und ihrer Tochter Nefesch (Chilik hatte seinen Sohn leicht auf Nefesch geschubst), und nachdem die Eltern gemeinsame Beruhigungsarbeit geleistet hatten, entwickelte sich ein Plausch über dieses und jenes. Chilik spähte über die Schulter und sagte zu Jenia: »Hast du von den Japanern gehört, die gestern hier waren?«
Jenia erwiderte: » Da , ich habe gehört, es gab Japaner. Sie wollten etwas Olivenöl?«
Chilik senkte die Stimme. »Olivenöl ist nur die Tarnung. Man sagt, dass sie gemeinsame Sache mit extremen Elementen machen. Sie haben mit Jehu geredet. Der Junge wird uns noch mal in Blödsinn verwickeln … Weißt du eigentlich, was er macht?
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