Auf fremdem Land - Roman
Verhüllung wie Seide oder fadenscheiniger Baumwolle befanden, dann brachte das sein Blut in Wallung.
Das war es, was Roni unter dem T-Shirt mit der Aufschrift »Die Besetzung macht uns schwach« sah, was sich dort ungestört hob und senkte: groß und saftig, und im Zentrum, gegen den Stoff gebohrt – aufrecht stehende, fleischige Brustwarzen, prall und erfahren; die Brustwarzen einer Frau, die weiß, dass sie sich dort befinden und die ihren Wert kennt.
Als er vorgestern San Francisco auf Nimmerwiedersehen verlassen hatte, waren dünne, luftige Kleider eine ferne Erinnerung gewesen. Und nach seiner Landung in Israel, als er sich vom Ben-Gurion-Flughafen nach Osten aufmachte, hatte er daran gedacht, dass Schauspiele dieser Art, die mit Frühlingsbeginn in Tel Aviv aus dem Boden schossen, in der Siedlung, zu der er fuhr, wohl fehlen würden. Doch weniger als vierundzwanzig Stunden waren verstrichen, und schon stand er mit verschränkten Armen inmitten des großen Olivenhains eines arabischen Dorfes nächst dem Siedlungsstützpunkt seines Bruders, vor Dutzenden Demonstranten, die Transparente schwenkten, auf denen »Gegen den Trennzaun« stand und »Siedler nach Hause – Schluss mit der Gesetzlosigkeit der Stützpunkte!«, und ließ seinen Blick auf den prachtvollen Brüsten einer Demonstrantin verweilen. Er riss sich los, sah zu ihrem hübschen, wenn auch etwas schweinchenhaften Gesicht hinauf, zu den Transparenten, blickte seitwärts zu einer Gruppe von Dorfbewohnern. Er konnte nicht umhin zu bemerken, dass einer davon seine Augen exakt auf der richtigen Höhe eingestellt hatte. Ihre Blickrichtungen kreuzten sich – Gesetzlosigkeit voran! Schluss mit dem Trennbüstenhalter! Macht der Besetzung der Brustwarzen ein Ende! –, und ein Lächeln gegenseitiger Anerkennung von geheimer Komplizenschaft erschien auf ihren Gesichtern. Es gibt Dinge jenseits aller Politik und Gerechtigkeit.
Dann wanderte Ronis Blick weiter, höher, in die Ferne und verharrte plötzlich überrascht: das Herodium! Ihm fiel auf, wie perfekt gerundet jener Festungshügel war, wie er sinnlich aus dem flachen Wüstenkörper stürmte, hell und einladend – eine Brust! Eine Brust mitten in der Wüste! Ich bin an den richtigen Ort gekommen, dachte sich Roni und betrachtete die Hügel ringsherum mit ihren weichen Rundungen, zarten Schwüngen und ihrer flaumigen Decke nach dem Regen. Einige Tage später würde ihm Nir erzählen, dass Joseph ben Mattathias – womit er Josephus Flavius meinte – höchstpersönlich über das Herodium geschrieben habe, dass es genau wie die Brust einer Frau aussähe.
Der Anführer der Demonstranten, ein magerer, bebrillter Junge mit vorspringendem, kantigem Kiefer, schrie einen Schwall von Parolen in ein Megaphon: »Schluss mit dem Mauerbau! Schluss mit dem Raub palästinensischen Landes! Schluss mit der Stützpunkterweiterung unter Regierungsschutz! Siedler, wir haben euch satt!« Er stand an der Spitze eines Grüppchens von jungen Leuten mit T-Shirts der linken Merez-Partei, einigen Anarchisten, vereinzelten Silberhaarigen aus der alten Generation von Schalom Achschav und der attraktiven Demonstrantin. Auf der anderen Seite machte Roni einige bekannte Gesichter aus, darunter auch Gabi. Roni näherte sich ihm und legte eine Hand auf seine Schulter: »He, Brüderchen, was für eine action !«
»Ich freu mich, dass es dir gefällt«, lächelte Gabi. Er erklärte, weshalb sich nur wenige Stützpunktbewohner die Mühe gemacht hatten herzukommen: Es war Freitag, die Frauen buken Kuchen für den Schabbatsegen und kochten Essen für die nächsten vierundzwanzig Stunden, die Kinder halfen beim Kochen oder hüteten die kleinen Geschwister, und die Männer waren größtenteils noch mit Erledigungen in Jerusalem beschäftigt.
»Wer ist die Orangefarbene?«, fragte Roni und deutete mit einer Bewegung seiner Augenbrauen in Richtung einer Siedlerin mit orangefarbener Haube.
»Ah, sicher, Neta Hirschson wird die Gelegenheit nicht auslassen«, erwiderte Gabi. Sie näherte sich mit energischem Schritt, pflanzte sich vor den Demonstranten auf, mit starrem Blick, und begann zu schreien: »Schämt euch! Unglücksbringer Israels! Chalas , genug, eure Herrschaft ist zu Ende! Ihr habt eure Gelegenheit gehabt, und wir sind fertig mit dieser Katastrophe! Ihr hattet Peres, ihr hattet Rabin, ihr hattet Oslo. Und ihr macht immer noch den Mund auf? Frechheit! Ihr müsstet euch schämen, eure Gesichter zu zeigen, nach allem, was ihr diesem
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