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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Stellvertreter des Tourismusministers ernannt worden war. Die Sitzung endete mit einer Reihe von Beschlüssen: eine Massendemonstration organisieren; eine Broschüre drucken lassen, die erklärte, wie die Regierung jahrelang die Siedlung unterstützt hatte, weshalb sie nicht illegal sein konnte; Spenden sammeln und Gabi helfen, das Zimmer neu aufzubauen, um zu zeigen, dass man weitermachte; und vor allem unbedingt Kontakt mit sämtlichen Faktoren und Kreisen herstellen, um den Zerstörungs- und Flächendemarkationsbefehl aufheben zu lassen oder ihn wenigstens für eine Weile infolge der entstandenen Krise hinauszuschieben, und im Fortgang neue Baugenehmigungen für das Zimmer und weitere dringende Gebäude erhalten.
    Nachdem er die abgehackten Äste auf einen Haufen geschichtet und zwischen den eingehüllten Baumstümpfen aufgeräumt hatte, setzte sich Nimr Ibrahim zwischen die Bäume. Man musste sich beschweren. Die Armee rufen. Roni hat sich an unseren Bäumen gerächt, weil wir seinen Plänen nicht gefolgt sind. Man muss der Armee sagen, dass sie ihn verhaften sollen. Bestimmt haben die aus dem Dorf ihm geholfen. Bald wird die Armee kommen, und dann sagen wir ihnen alles. Man muss es dem Muchtar sagen, er soll mit der Armee reden. Man muss vielleicht jemanden anrufen. Oder in ihr Dorf gehen, dahin, wo der dünne schwarze Soldat ist, und ihm sagen, dass er es der Armee sagt. Oder vielleicht zu Roni selber und ihn fragen, was das sollte. Er lehnte sich an einen der sackverhüllten Baumstümpfe, wartete darauf, dass etwas passieren würde als Reaktion auf den gewalttätigen Angriff. Doch es geschah nichts. Er kauerte sich in seinem Sweatshirt »Kommando 13 – Die Raubtiere« gegen den kalten Wind zusammen, der zu blasen begonnen hatte. Alles, was es gab, war der Brandgeruch, Ameisen, die sich an der aufgewühlten Erde ergötzten, und der Ruf des Muezzins zum zweiten Gebet, der ihn auf die Beine brachte und zur Moschee führte. Auf dem Weg ging er zu Hause vorbei, um sich zu vergewissern, dass es seinem Vater gut ging. Er traf ihn an, während er eine Zigarette in der Filterspitze rauchte. »Ich habe Roni angerufen«, sagte Mussa, bevor Nimr den Mund aufgemacht hatte. »Er ist seit gestern in Tel Aviv. Ich habe den Lärm drumherum gehört, die hupenden Autos. Er ist dort, Nimr. Ich glaub nicht, dass er den Brand gelegt hat.«
    Roni hatte am Tag zuvor im Stützpunkt gesehen, wie die Soldaten mit ihren Fahrzeugen ankamen, wie sie ihre Ausrüstung im Regen ausluden. Als die Zerstörung des Zimmers begann, war er in seinem Wohnwagen. Er beugte sich zum Fenster und verfolgte den Aufruhr: Scheinwerfer, Soldaten, Geschrei und Lärm von schweren metallischen Geräten, die auf Holz schlugen. Je weiter die Zerstörung des schönen, neuen Zuhauses seines Bruders fortschritt, desto mehr verfestigte sich in Roni der Entschluss, der während des Geschirrspülens gestern in ihm aufgekeimt war – zu machen, dass er von hier fortkam. Er brauchte eine andere Luft, Alkohol, Meer. Er wollte nach Tel Aviv.
    Roni trat mit gebeugtem Kopf hinaus. In dem heftigen Aufruhr der Gefühle, der unten am Felsrand tobte, schenkte ihm kein Mensch Beachtung. Jetzt oder nie. Die Jacke hatte er an, die Brieftasche war in der Jacke, in der Brieftasche hatte er ein bisschen Bargeld. Eine Tasche brauchte er nicht.
    Der Lieferwagen von Moran, dem Vertriebslieferanten von Otniels Hof, hielt neben ihm. »Dich hab ich lang nicht gesehen«, sagte er zu Roni. »Jerusalem?«
    »Noch was Besseres«, erwiderte Roni und stieg ein.
    »Endlich macht die Armee mal was«, sagte Moran zu Beginn der Fahrt und warf Roni einen vorsichtigen Blick zu. Er wusste, dass er Gabis Bruder war, aber er kannte seine Ansichten nicht.
    »Ich bin nicht … das interessiert mich nicht so wahnsinnig«, murmelte Roni.
    »Mich auch nicht. Ich bin zum Arbeiten da. Komme her, lade Kisten auf, fahre weg. Wechsle kaum ein Wort mit ihnen. Sag mal …«, da war sie, die Frage, von der Roni wusste, dass sie kommen würde, »… was ist eigentlich aus dem Olivenöl geworden? Ich meine, ich weiß, dass die Japaner den Betrieb aufgezogen haben und so, aber damals habt ihr mit mir über was Kleines geredet, eine Erzeugerboutique, also ich meine, ist das passé? Habt ihr’s aufgegeben? Fährst du jetzt zu diesem Freund von dir?«
    Roni wollte nicht darüber reden. »Vergiss es, die Japaner … die Japaner haben’s …«, sagte er vage und drehte den Kopf auf die Seite der Straße. Er dachte, schade,

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