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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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springen, zielte wieder, spürte aller Augen in seinem Rücken und Nacken. Auch Jotam hatte sein Dribbeln eingestellt, Totenstille in der Halle, alles wartete auf Gabis Wurf. Er ließ den Ball ein weiteres Mal springen. Ergriff ihn, linke Hand drunter, rechte seitlich, die Hände, die nach Tomaten stanken, dicht an der Nase, beugte einen Ellbogen, beugte ein Knie, schloss ein Auge, und exakt als er loslassen wollte, stieß Alex ein kleines, drängendes »nu …« aus. Das brachte ihn völlig aus dem Konzept, der Ball befreite sich aus seinen Händen, flog in einem armseligen Bogen, eine Totgeburt, zu schwach, zu kurz, und landete weit vor dem Ring. Alex stieß ein kurzes Lachen aus und beeilte sich, seinen Ball aufzulesen, und einer sagte: »Für so was haben wir gewartet?« Ein anderer lachte, zwei klatschten in die Hände, und Gabi sah Jotam an, der auch lächelte und dann seinen Ball warf, ein glatter Treffer ins Netz.
    Gabi Kupfer verließ die Halle durch die Hintertür, die auf das Schwimmbecken hinausging. Er hörte in seinem Rücken zwei Bälle im ungleichen Takt auftreffen, einen von Jotam, einen von den Großen, bumm-bumm-bumm, quietsch-quietsch-quietsch, übersprang den guten Meter zum Asphalt und ging ziellos weiter, der Geruch des gemähten, feuchten Rasens pochte in seinen Nasenflügeln und reizte seine Augen. Er stöberte in seinen Taschen: eine krumme Noblesse, die ihm jemand gegeben hatte, ein paar kleine Kieselsteine, eine Twist-Verpackung, schmutziges Gras, eine Schachtel Streichhölzer, ein Schlüsselring mit einem Minitaschenmesser. Er setzte sich auf eine Bank, zündete die Noblesse an und spürte, wie sich der beißende Rauch in seinem Kopf herumwälzte, ekelhaft in seiner Brust, nahm noch einen Zug, schwitzte am ganzen Leib, es war nicht bequem, in Jeans Basketball zu spielen, legte die Zigarette ab und zog das Hemd aus, trocknete sich Stirn und Achselhöhlen und die glatte Brust, nahm die Zigarette wieder, noch einen Zug und noch einen, brennend, schwindel- und übelkeitserregend, und bumm und quietsch drang schwach aus Richtung der Halle, es war schon spät und dunkel, und er musste kacken. Er hätte gern auf Alex geschissen oder der Pestbeule mit dem Messer den Hals aufgeschlitzt. Ausgerechnet er musste kommen, um den Ball zu holen. Wie er da stand und ihn demütigte, wie immer, grinsend und hohnlachend bei jeder Gelegenheit.
    Er stand auf und ging. Jetzt wusste er, wohin, dringend, immer noch mit nackter Brust, passierte das Schwimmbecken, den Kultursaal, ging in Richtung der Kinderhäuser seiner Altersstufe und der der Kleinen und erreichte den Streichelzoo. Die Tiere waren ruhig, schliefen. Aber die Tiere interessierten ihn nicht. Der Garten interessierte ihn. Vater Jossi hatte davon gesprochen. Der Garten beim Streichelzoo, mit den besonderen Blumen, was hatte er gesagt? Wie war das noch, Orchideen, Iris, schöne, seltene Pflanzen …
    Jetzt erinnere ich mich, sie haben dort einen Garten zu Ruhm und Zier des Staates Israel angelegt, das war es, was Vater Jossi gesagt hat. Das Baby der Ziergärtnerei, oder vielleicht hat er das Baby von Alex gesagt? Ich bin mir nicht sicher, Alex, die Pestbeule, die ganzen Pestbeulen mit ihren Blicken, ihrem mitleidigen Lächeln, dem Kopfschütteln, Zungenschnalzen und den überheblichen Predigten, die Tiere fangen an aufzuwachen, als sie meine Schuhe hören, die die Pflanzen zertrampeln, sie in alle Richtungen treten, das ist für euch, teure seltene Pflanzen, das ist für dich, Baby der Gärtnerei, da hast du’s, Alex, das kleine Taschenmesser in meiner Hand schneidet Blätter, schneidet Blumen, schneidet Zweige, zerschneidet Schilder, kleine Füße rennen hin und her, vielleicht Kaninchen, ein Kalb starrt mich glotzäugig an, bis ich es mit dem Messer bedrohe, doch es rührt sich nicht, Pfaue spreizen die Federn, aber die Tiere interessieren mich nicht, mich interessiert der Garten, und nachdem ich ihn zertreten, abgesäbelt, zertrampelt habe und draufgesprungen bin, tut mir der Bauch weh, der süße Druck. Der brechreizerregende Geruch der Tomaten tritt mir aus den Poren der Haut, entweicht mit meinem Schweiß, ich hasse diesen Geruch, die Tiere interessieren mich nicht, aber das Gewächshaus und die Schmetterlinge. Hat Vater Jossi was darüber gesagt? Da ist das Messer, da ist die Folie vom Gewächshaus, ritschratsch, ein X, ich werd hier »Baby!« reinschreiben, vielleicht kann es jemand lesen. Ich schneide weiter, dieses Taschenmesser ist zu

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