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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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hinderte die starren Federn nicht daran, sich ihm ins Gesäß zu bohren. Der Motor röhrte und ratterte, und das Lenkrad segelte in den Händen des Familienvaters. Der heiße Wind ließ die halboffenen Fenster vibrieren und wirbelte Staubkörner herein. Beißender Uringeruch dünstete aus mindestens einer Windel und zog durch das Wageninnere.
    In den ersten Minuten sprach keiner. Gabi verfolgte gespannt die Hände des Vaters am Steuerrad und das schlingernde Rudern des Susita auf der Straße. Die Kinder, Malka und David und noch zwei, in verschiedenen Altersstufen, schwiegen – vielleicht aus Furcht vor dem Fremden, den sie für einen Soldaten hielten. Die Eltern hatten sicher ihre Freude an der Stille und wollten sie nicht brechen, bis die Mutter in einer Tüte kramte und etwas in Silberpapier Eingewickeltes herauszog, es Gabi hinhielt und fragte: »Ein belegtes Brot? Du siehst hungrig aus.« Das war der Startschuss für den erneuten Einsatz der Symphonie, David wollte auch eins, Malka wollte ein Begele, und die beiden anderen fingen an, einander anzuschreien und sich an den Haaren zu ziehen, und der Vater, der einsah, dass Schluss mit der Freude an der Stille war, fragte: »Wo musst du hin, Zaddik?«
    Das Brot in der Alufolie wirkte nicht sehr einladend, doch in diesem Stadium war Gabi nicht mehr wählerisch, denn alles, was er seit dem vergangenen Abend gegessen hatte, waren zwei Weingummis gewesen, die ihm die Haifaer Studentin angeboten hatte. Er schälte das Silberpapier ab und verschlang den Inhalt, ohne auch nur nachzuschauen, was es war, doch er schmeckte leicht süßlichen Hefeteig, wohl ein Chalabrot, er schmeckte Quark, sauer Eingelegtes und Tomate. Es war göttlich – dieses Wort sagte er natürlich nicht zu ihnen, doch es ging ihm durch den Kopf, und nach drei Bissen zur ersten Hungerbewältigung antwortete er: »Wo fahrt ihr hin?«
    »Nach Ofra«, sagte der Vater.
    Gabi war sich nicht sicher, ob er die Antwort des Herrn Gam-zo-letova durch das Lärmkonzert der Familie und des Autos richtig gehört hatte. Opera? »Wohin?«, fragte er nach.
    »Nach Ofra«, wurde die Antwort wiederholt, und diesmal verstand er es und nickte, obwohl er noch nie im Leben von dem Ort gehört hatte.
    »Ausgezeichnet, das liegt auf meinem Weg.«
    Der Blick des Vaters kreuzte sich mit Gabis im Rückspiegel. Er kannte nicht alle Einheiten der Armee, nicht sämtliche geheimen Militärbasen oder alle Punkte, wo die Soldaten hingeschickt wurden. Eines jedoch wusste er ganz gewiss: Ofra lag auf dem Weg nirgendwohin. Er lächelte dem Soldaten zu, der ihm jetzt auch ein bisschen jung erschien, ein wenig müde, ein wenig zerzaust, und sagte: »Aber gern, Zaddik.«
    Ascher, Riki, Roni und Gabi Kupfer begannen ihre Fahrt nach Süden in dem Fiat 127, umgeben von der Dunkelheit der Golanhöhen, spät am Abend. Onkel Jaron trug Roni und Ascher den kleinen Gabi, beide schlafend, zwei zarthäutige, unschuldige Kleinkinder, zum Hintersitz. Riki umarmte Jaron und flüsterte ihm ins Ohr: »Es war phantastisch, Jaron, ganz vielen Dank für die Ferien«, und anschließend vertraute sie ihm an: »Weißt du, ich hatte Befürchtungen, bevor wir hier raufgekommen sind, ich wusste nicht, wie der Ort aussehen würde, ich hatte Angst vor Bombardierungen. Aber ich hab mich schlicht geirrt. Wir werden bei der ersten Gelegenheit wiederkommen.«
    Jaron umarmte sie, küsste sie auf die Wange und fühlte sich zutiefst beglückt, als er diese Worte hörte, und dann umarmte er seinen Bruder, der zu ihm sagte: »Es war alles roger, wir kommen bald wieder.«
    Worauf Jaron lachte und erwiderte: »Das ist genau, was mir deine Frau ins Ohr geflüstert hat. Fahrt vorsichtig!«
    Sie fuhren vorsichtig. Hatten viel Kaffee vor der Fahrt getrunken, passten auf, dass sie wach blieben, unterhielten sich. Ascher sagte zu Riki, dass sie ruhig schlafen könne, doch sie lehnte ab, auf gar keinen Fall. Sie sprachen über Jaron, über seine Freunde und Nachbarn, die sie in diesen Tagen kennengelernt hatten, über den Kibbuz, über die Kinder. Riki gelang es noch, Ascher zu sagen, dass es ihr ernst damit gewesen war, als sie gesagt hatte, dass sie die Jungen gern im Kibbuz großziehen würde. Vielleicht im Galil. Darauf erwiderte Ascher, wenn sie es ernst meine, würde er ein paar Anrufe tätigen, er habe Freunde an allen möglichen Orten und Jaron ebenso. Sie wiederholte, dass sie es ernst meine, und dann war das Pfeifen einer Granate zu hören, und Riki sagte: »Mamilein!« Sie

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