Auf gluehenden Kohlen
Unterredungszimmer im Gefängnis.
»Darf ich jetzt nach Hause?« fragte Gary, kaum dass er Peter erblickte.
»Nein, Gary. Ich habe Ihnen das alles schon mal erklärt. Ihnen wird ein Mord vorgeworfen, deshalb ist es eine Weile völlig unmöglich, dass Sie aus dem Gefängnis rauskommen.« Gary wirkte erregt. »Wie soll ich da meine Arbeit machen?« »Gary, Sie müssen sich jetzt auf das konzentrieren, was wichtig ist.
Okay? Hier geht es um ihr Leben. Dieser Job im College ist nichts weiter als ein Hausmeisterjob. Dieser Job ist nicht wichtig. « »Oh, nein, mein Job ist wichtig«, widersprach Gary mit großem Ernst. »Mom sagt, jeder Job ist wichtig, und mein Job ist sehr wichtig. Es gibt Keime. Sie sind sehr klein. Man kann sie nicht sehen. Sie machen die Menschen krank. Ich schrubbe. Ich putze die Keime weg. Ich bringe den Fußboden zum Glänzen, dass man sein Gesicht drin sehen kann. Ich trage den Müll raus, damit es im Zimmer nicht schlecht riecht. Wenn ich meine Arbeit nicht mache, werden die Leute krank, und im Zimmer stinkt's.« Beim Reden wurde Gary immer erregter. Peter war erstaunt, wie ernst Gary seine Arbeit nahm. Es war ihm ein bisschen peinlich, dass er Garys Job herabgesetzt hatte.
»Hören Sie, Gary«, sagte Peter freundlich, »ich bin sicher, die Leute vom College haben jemanden, der für Sie einspringt. Jemanden, der die Keime wegputzt und den Müll hinausbringt, bis Sie zurückkommen können.«
»Nimmt mir jemand meinen Job weg?« fragte Gary. Er lief aufgeregt hin und her. »Ich will meinen Job.« »Nein, nein. Niemand nimmt Ihnen Ihren Job weg. Hören Sie mir zu. Habe ich Ihnen geholfen, als Sie festgenommen wurden, weil Sie zu dem Mädchen ins Zimmer geguckt haben?« Gary nickte, aber sein Blick irrte besorgt hin und her. »Haben Steve und ich nicht dafür gesorgt, dass Sie Ihren Job behalten durften?«
Gary h örte auf, hin und her zu laufen. Er wirkte ruhiger. »Gary, meinen Sie, Steve und ich werden zulassen, dass man Ihnen den Job wegnimmt?«
»Sie haben mir geholfen, meinen Job zu behalten«, sagte Gary ein wenig entspannter.
»Richtig. Ihr Job ist wichtig, Gary. Er ist sehr wichtig. Das College braucht Sie für diese Arbeit. Das College lässt es nicht zu, dass Ihnen jemand Ihren Job wegnimmt, weil Sie ihn so gut machen. Okay? Aber Sie werden unter keinen Umständen zu Ihrer Arbeit zurückkehren können, wenn Sie mir nicht helfen.« Garys keuchendes Atmen beruhigte sich. Er hörte auf, hin und her zu laufen.
»Also, warum setzen Sie sich nicht hin, und wir tun den ersten Schritt dahin, dass wir Sie hier rausbekommen, damit Sie arbeiten können.« Peter zeigte auf einen der Eisenstühle auf der anderen Seite des Holztisches. Gary nahm gehorsam Platz. Er wischte sich die Handfl ächen an seinem Overall ab und wartete, dass Peter weiterredete. Peter seufzte erleichtert, dann zeigte er auf mehrere Tonbandcassetten und den Stapel Polizeiberichte, die er in den letzten paar Stunden überflogen hatte.
»Ich habe ein paar Ermittlungsakten von der Staatsanwaltschaft bekommen, die wollte ich mit Ihnen durchgehen. Ich habe die Zusammenfassung der Aussage gelesen, die Sie vor Sergeant Downes gemacht haben, und ich habe mir ein paar Tonbänder von Ihrer Vernehmung angehört. Ich möchte Sie bitten, mir noch einmal zu sagen, wieso Sie so viel von dem Mord wissen.« »Das sind meine Fähigkeiten.«
»Ihr übernatürliches Bewusstsein und Ihr unterbewusstes Gedächtnis?«
Gary nickte. Peter rutschte unbehaglich auf dem Eisenstuhl herum, w ährend er nach den Worten suchte, die er sagen wollte. Gary beobachtete ihn zuversichtlich. Peter tat sein Mandant leid. Er fragte sich, wie es wohl war, wenn man mit dem Verstand eines sehr beschränkten Kindes durch das Leben gehen musste. Worüber dachte Gary nach? Dachte er überhaupt ohne fremden Antrieb? War Gary nichts weiter als eine Maschine mit schlecht funktionierenden Schaltkreisen? Waren die üppigen Farben des Lebens für ihn bloße Schatten? Oder war mehr an Gary, als zunächst sichtbar wurde? Nach den Polizeiberichten hatte Gary einen Wutanfall bekommen, als Karen Nix seine Intelligenz in Zweifel zog. Würde es eine Maschine kümmern, was jemand von ihren Fähigkeiten dachte? Peter hatte viel über den Ruhm und das Geld nachgedacht, die ihm Garys Fall einbringen konnte, aber sehr wenig über Gary Harmon selbst. Zuerst hatte ihn sein Mandant sogar abgestoßen. Peter liebte die Gesellschaft intelligenter, wohlerzogener und vorzeigbarer Menschen.
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