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Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Waluszek
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aufgeregt in seinem Tagebuch, las still, blätterte weiter, dann hatte er die richtige Stelle gefunden, und sein Gesicht erstrahlte freudig. »›Dienstag. Flugzeug bringt die Mama gleich, Wilfrieds Herz wird jetzt schon butterweich.‹«
    »Wilfried!!!« Edek sprang beinahe auf. »Ich meine nicht deine Mama! Edek hat auch Mama, aber wenn Edek Mama liebt, ist alles ganz anders!«
    Wilfried nickte zustimmend. »Ich habe meine Mama und meinen Papa lieb gehabt, aber noch mehr Onkel Ludwig. Wenn Onkel Ludwig da war, dann konnte Wilfried alles mit ihm spielen ...«
    Edek gab sich geschlagen. »Ist okay, Wilfried, mit Onkel Ludwig spielen, Mama und Butterherz ... Ich sage nichts mehr. Hast du eigentlich noch mehr von so ein Zeug?«
    »Von was für einem Zeug?«
    »Na, in dein Tagebuch.«
    »Ja.«
    »Lies vor.«
    »Nein.«
    »Warum nein? Gerade hast du gelesen!«
    »Gerade habe ich mich erinnert.«
    »Was?«
    »Wilfried liest nur in dem Tagebuch, wenn er sich erinnern will.«
    Edek gab endgültig auf. Mit einem Verrückten zu diskutieren, hatte keinen Zweck. Warum hatte er überhaupt angefangen? Er löschte das Licht und schloss die Augen. Nach und nach kehrten das Rauschen der Bäume, Mirjas Küsse und ihre Haut in seine Erinnerung zurück und begleiteten ihn bis in seine tiefsten Träume.
     

· 3 ·
     
    E s war Freitag, der dritte Tag der Kirmes in Augsburg, und Edek hatte den ganzen Vormittag alle Hände voll zu tun gehabt mit Schweiß- und Reparaturarbeiten. Jetzt saß er im Mannschaftswagen und blätterte in einer Autozeitschrift. Etwa vor einer knappen Stunde hatte ihm Mirja Bescheid gesagt, sie mache sich mit ihrem Vater auf den Weg zur Bank. Es würde wohl eine Weile dauern und er möge ihr die Daumen drücken, dass alles gut gehe. Um so erstaunter war Edek, als plötzlich die Tür aufging und Mirja schon wieder vor ihm stand.
    »Und?« Edek legte die Zeitschrift beiseite. »Bekommen wir Geld?«
    Mirja setzte sich. »Nein. Es ist alles schiefgegangen.«
    »Warum?«
    »Ach, Vater hat sich überhaupt keine Mühe gegeben. Er hat einfach nur erzählt, wir hätten 63.000 Euro Schulden und dann gleich gesagt, dass die Geschäfte schlecht liefen. Der Sachbearbeiter von der Kreditabteilung wollte dann zwar noch das eine oder andere wissen, sagte aber am Ende, dass es schwierig werden würde, uns zu helfen. Anstatt noch etwas zu erklären, hat ihm mein Vater einfach recht gegeben. Und zu mir hat er noch gesagt: ›Siehst du, es hat keinen Zweck!‹«
    »Und das war alles?«
    »Nein. Ich hab es dann noch mal versucht. Wir hatten ja alle Geschäftsunterlagen dabei. Den Kaufpreis, das Baubuch mit allen Einzelheiten und TÜV-Berichten, die letzten Einnahmen, Steuererklärungen, einfach alles. Der Mann hat sich das auch genau angeschaut, aber dann wollte er wissen, warum wir uns nicht an unsere Hausbank gewendet hätten.«
    »Hausbank, was ist Hausbank?«
    »Na, das muss hier in Deutschland eigentlich jeder haben. Eine Bank, die dich kennt, wo du immer deine Einnahmen einzahlst und so.«
    »Ah ja, ist Sparkasse in Renzberg.«
    »Genau. Ich hab dem Sachbearbeiter erklärt, dass unsere Hausbank 15 Prozent Zinsen haben wollte und dass das zu viel wäre. Der Mann hat dann mit der Sparkasse telefoniert, in einem anderen Raum, ich konnte nicht hören, was er sagte. Als er wieder zurückkam, meinte er, es täte ihm leid. Seine Bank könne das Risiko nicht eingehen und im Übrigen würde uns die Sparkasse in Renzberg wegen der geringen Einnahmen im letzten Jahr und bei der heutigen schlechten Wirtschaftslage auch nicht mehr das Geld leihen.«
    »Warum schlechte Wirtschaftslage? Sind immer genug Leute da auf Geisterbahn.«
    »Nicht mehr so wie früher. Letztes Jahr haben wir noch pro Tag gut 2.500 Euro eingenommen, dieses Jahr sind es gerade mal 1.900.«
    »Ist doch viel Geld«, wunderte sich Edek.
    »Das sieht nur auf den ersten Blick so aus. Hier, ich hab das mal alles genau ausgerechnet.« Mirja holte aus ihrer Tasche ein paar Zettel heraus und rechnete vor. »Sechs Monate im Jahr dauert höchstens die Saison. Im Schnitt machen wir neun Standorte, wenn alles gut geht. Also läuft die Geisterbahn an durchschnittlich 45 Tagen. Macht etwa 85.000 Euro, bestenfalls. Die fixen Kosten auf den Standorten belaufen sich jedes Mal auf knapp 2.000 Euro, ergibt schon 18.000 Euro Abzug, bleiben 67.000 übrig. Davon gehen für Versicherungen, für Diesel, Abschreibung der beiden Tieflader, die noch nicht ganz bezahlt sind, laufende

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