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Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Waluszek
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klar. Wilfried schrie, außer sich vor Freude, und unten, in dem Blechbehälter, da lag ein nackter Toter, und der grinste Edek an.
    Alles andere geschah, als wäre Edek gar nicht mehr dabei. Ein mächtiges Meeresrauschen brauste in seinen Ohren auf, seine Knie wurden weich, vor den Augen tanzten ihm riesige, schwarze Schneeflocken auf, und dann flog er irgendwo in ein dunkles Loch hinein, in dem es vollkommen still war.
     

· 3 ·
     
    D ie kleine, gelbe Sonne brannte hoch am Himmel. Sie brannte in einem fort, verschleiert durch einen leichten Nebel, der sich aber langsam verzog. Das Korn auf den texanischen Feldern rauschte im Wind so stark wie ein Fluss. Edek machte seine verdiente Mittagspause. Gleich würde er wieder die große Erntemaschine besteigen und im Staub der endlosen Felder versinken, den nur die härtesten Männer überstanden. Edek starrte die Sonne an. Sie war seltsamerweise kalt wie Eis und blendete ihn überhaupt nicht. Und sie hatte auf ihrer Oberfläche Ringe und in der Mitte einen spiralförmigen Draht.
    Eigentlich sah sie aus wie eine Lampe. Eine Autolampe. Edek wandte erstaunt den Kopf und erblickte hoch über sich, scheinbar in endloser Ferne verloren, das besorgte Mondgesicht von Wilfried.
    Seine Stirn schmerzte an der Seite. Er war gefallen. Aber warum? Was war geschehen?
    Mühsam versuchte Edek, sich daran zu erinnern, aber er fühlte sich müde und immer wieder fielen ihm die Augen zu. Doch dann, so als liefe in seinem Kopf nach und nach ein Film an, tauchten die Ereignisse der Nacht in seiner Erinnerung auf: der Regen, die Pizzeria, der vorbeifahrende Transporter, der Rallye-Spaß mit Wilfried, seine verrückten Erzählungen über den Urwald, die verschlossene Tür, die kleine Tasche, der große Blechbehälter, der grinsende Tote ...
    Der grinsende Tote?! Edek fuhr in die Höhe. Der Tote lag vor ihm in dem Blechbehälter, grinste immer noch und verbreitete einen leicht beißenden, alkoholischen Geruch. Edek schloss die Augen, in der Hoffnung, er träume das alles genauso wie den Traum von der Sonne und den Feldern. Als er sie wieder öffnete, lag der Tote immer noch da. Also träumte er nicht, ganz bestimmt. Doch das, was er sah, konnte auch nicht stimmen. Der Mann war sicher gar nicht tot. Er schlief nur einen Alkoholrausch aus und hatte angenehme Träume. Schließlich konnten Tote nicht lächeln. Das wusste Edek, seitdem er als kleiner Junge seinen verstorbenen Großvater im Schlafzimmer aufgebahrt gesehen hatte. Obwohl auf seinen Lippen eine Fliege herumkroch, was bestimmt sehr kitzelig war, verzog Großvater keine Miene mehr.
    Edek streckte vorsichtig die Hand aus. Wenn er den Mann berührte und dieser dann zuckte und vielleicht sogar aufsprang ...
    Edeks Zeigefinger kam am Fuß des Mannes an. Der Fuß war eiskalt und der Mann sprang nicht auf. Wilfried aber strahlte über das ganze Gesicht.
    »Das ist mein Onkel Ludwig!«, erklärte er stolz.
    »Der ist ja tot ...«, sagte Edek und es war ihm, als komme seine Stimme von anderswoher.
    »Ja«, stimmte Wilfried zu, »aber er ist jetzt endlich da!«
    »A-a-aber er ist t-t-tot!« Edek versuchte, sich zusammenzunehmen, doch der plötzliche Schauer, der ihn erfasst hatte, war so stark, dass er am ganzen Körper zitterte und seine Zähne klapperten.
    »Onkel Ludwig ist tot und er ist zu Wilfried gekommen ...« Wilfrieds Stimme klang plötzlich gerührt, Edek wusste nicht, ob vor Trauer oder vor Freude. »Jetzt brauche ich nicht mehr dein Geld für das Flugzeug, danke!«
    Edek schaute Wilfried an, dann den grinsenden Onkel Ludwig, dann wieder Wilfried. Zweifelsohne war er in einem Irrenhaus gelandet. Der Transporter vom Jeschke konnte es jedenfalls nicht sein. Auch wenn er im Laderaum eines Transporters saß. Es war sicher eine Irrenhauszelle, die wie ein Transporter aussah, und zwei Verrückte spielten ihm einen unglaublichen Streich. Nein. Er hatte Jeschkes Transporter vor der Pizzeria gestohlen. Was da draußen rauschte, war die Wertach, und der Transporter stand auf einem einsamen Parkplatz. Edek schaute hinter sich. Die Laderaumtür stand offen und man konnte die dunklen Schatten der Bäume sehen, die den Parkplatz zur Straße hin abschirmten. Das also stimmte schon mal, darauf konnte Edek sich verlassen.
    Doch was zum Teufel hatte ein Toter in Jeschkes Transporter zu suchen? Und wo war das ganze Geld?
    An der Tür lag immer noch die kleine Tasche. Edek kroch auf allen vieren zu ihr und öffnete sie mit zitternden Händen. Sie

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