Auf in den Urwald (German Edition)
Wahnsinnigen?«
Edek wurde es schlagartig heiß. Er hob die Zeitung auf und hielt die zerrissene Stelle zusammen. »Perverser Diebstahl!«, stand unter der Schlagzeile und weiter in dem Artikel: »Erwin B., Fahrer des gerichtsmedizinischen Instituts von Augsburg, will am späten Montagnachmittag die konservierte Leiche eines unbekannten Toten in der medizinischen Abteilung der Universität München abliefern. Er bleibt aber auf der Autobahn im Stau stecken. Erwin B.: ›Das ist mir um diese Zeit schon öfter passiert, da kann man nichts machen. Ich stelle dann die Lieferung am nächsten Morgen zu, weil um 18 Uhr in München keiner mehr da ist, der sie mir abnimmt.‹ An der nächsten Ausfahrt kehrt Erwin B. um und fährt mit dem Transporter zu seinem Schwager, dem er bei der Renovierung der Wohnung hilft. Erwin B.: ›Wenn man den Job so lange macht wie ich, denkt man nicht ständig an die Toten im Auto.‹ Gegen 22.30 Uhr wollen beide noch schnell eine Pizza essen. Als sie eine halbe Stunde später die Pizzeria verlassen, ist der Transporter weg. Mit dem Toten. Der Augsburger Polizeipräsident: ›Wir haben den Transporter in den Morgenstunden gefunden. Er ist nicht mit einem Werkzeug aufgebrochen worden, sondern von jemandem, der über Riesenkräfte verfügen muss. Die Leiche – besonderes Kennzeichen ein Grinsen wegen Muskelverletzung – ist weg.‹ Der Leiter der Gerichtsmedizin: ›Der unbekannte Tote wurde vor drei Monaten ertrunken im See des Stadtparks gefunden. Irgendwelche äußeren Einwirkungen waren nicht festzustellen, lediglich ein hoher Alkoholpegel im Blut. Ein Unfall also. Nach Verstreichen der gesetzlichen Frist werden die konservierten Körper solcher Menschen grundsätzlich der medizinischen Abteilung der Universität zu Lehr- und Forschungszwecken überlassen.‹ Der Polizeipräsident: ›Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, aber wir tappen bis jetzt absolut im Dunkeln. Es muss sich entweder um einen bösen Scherz oder um die Tat eines Geisteskranken handeln. Die Art, wie der Transporter aufgebrochen wurde, spricht für das Letztere!‹«
Edek faltete die Zeitung und steckte sie ein. »Tat eines Wahnsinnigen!« Jetzt reichte es! Endgültig! Länger hielt Edek es nicht mehr aus! Es musste etwas geschehen. Jetzt sofort, bevor ihm die Polizei auf die Schliche kam. Wie hatte er nur annehmen können, dass eine solche Sensation nicht auf der ganzen Welt bekannt würde? Hunderte, nein Tausende von Polizisten durchkämmten sicher schon die Städte, den ganzen Erdball. Wie lange würde es noch dauern, bis man ihn entdeckt hatte? Einen halben Tag, eine Stunde, eine Minute?
Tat eines Wahnsinnigen! Das war es! Wilfried war wahnsinnig, ein Verrückter, der aus irgendeinem Irrenhaus ausgebrochen war, mit seinen Riesenkräften die Gitter zerfetzt und alle Wächter umgebracht hatte. Edek musste etwas unternehmen, unbedingt. Er musste herausfinden, was mit Wilfried wirklich los war. Bestimmt fand er etwas in seinem verrückten Tagebuch.
Edek rannte zum Mannschaftswagen, schlug die Tür hinter sich zu und riss Wilfrieds Schrank auf. Die Plastiktüte, in die Wilfried stets das Tagebuch steckte, lag ganz oben. Edek nahm sie heraus und fluchte. Beinahe wäre sie ihm auf die Füße gefallen, so schwer war das verdammte Tagebuch. Er legte die Tüte auf das Bett und drehte sie um. Das Tagebuch plumpste heraus und eine dicke Mappe. Aus der Mappe glitt ein Foto auf das Kissen. Edek setzte sich. Auf dem Foto war Onkel Ludwig zu sehen, Edek erkannte ihn sofort. Er war in einen Khaki-Anzug gekleidet, trug auf der einen Schulter ein Gewehr, auf der anderen eine Tasche und grinste. Hinter ihm befand sich ein dicker Baumstamm, neben ihm standen ein paar kleine, dunkelhäutige Menschen mit Pfeil und Bogen, seltsamen Federn im Haar und einer bunten Bemalung im Gesicht. Im Hintergrund war ein brauner Fluss zu sehen. Edek drehte das Foto um. »Für meinen Neffen Wilfried«, stand dort geschrieben. Und: »Zur Erinnerung an die gemeinsamen Tage am Amazonas.«
Edek legte das Foto zur Seite und schlug die Mappe auf. Sie war voller Formulare und handgeschriebener Zettel, die Edek kaum etwas sagten, weil er sie nicht entziffern konnte. Aber ganz hinten, da fand er einen mit dem Computer geschriebenen Brief abgeheftet. Er war an den »Leiter der privaten psychiatrischen Klinik« in München gerichtet und von einer Dr. Vanessa Jagenberg in Bonn geschrieben. Nach ein paar einleitenden Zeilen stand weiter unten: »Ich hoffe
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