Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Waluszek
Vom Netzwerk:
tonlos, fast geisterhaft.
    Edek schwieg verunsichert. Er hatte dummerweise vorher gar nicht daran gedacht, dass die Nachricht vom Tod des Onkels Wilfrieds Mutter schockieren würde. Was sollte er jetzt nur sagen? Vergeblich suchte er nach einem vernünftigen Satz.
    Aber da meldete sich Dr. Jagenberg am anderen Ende der Leitung. »Was verlangen Sie, Herr Eduardo Stermann?«, fragte sie.
    »Äh, verlangen, ja«, sagte Edek, ziemlich erstaunt darüber, mit welch seltsamer Betonung Wilfrieds Mutter seinen Namen aussprach. »Ich verlange, Sie sollen Wilfried abholen und seine t-t-t..., seine Onkel Ludwig auch!«
    »Gut. Und wie lauten Ihre Bedingungen, Herr Eduardo Stermann?«
    »Lauten Bedingungen?« Edek verstand nicht, was Dr. Jagenberg meinte. »Keine Bedingungen, äh, lauten ...«
    »Selbstverständlich soll alles im Stillen und ohne Aufsehen geregelt werden. Die Polizei bleibt aus dem Spiel.«
    »Ja, keine Polizei.« Das hatte Edek wieder verstanden. »Ohne Polizei ist besser.«
    »Wohin soll ich kommen und wann?«
    Das war eine gute Frage. Nachdem Dr. Jagenberg so überraschend darauf bestand, dass alles ohne Aufsehen geregelt werden sollte, konnte sie Edek unmöglich hier zur Kirmes bitten. Er musste es irgendwie schaffen, Wilfried und seinen Onkel an einen stillen Ort wegzubringen. Aber wie? Der Onkel musste in einen ordentlichen Sarg. Doch wo sollte Edek einen kaufen? Er hatte keine Ahnung.
    »Äh«, sagte Edek, »gibt Problem. Wenn Polizei nichts erfahren soll, braucht Onkel Ludwig neue Sarg, weil in alte Sarg liegt andere ›Tote Mann‹ ...«
    »Selbstverständlich, Sie ... Sie müssen einen neuen Sarg kaufen und brauchen Geld. Habe ich das richtig verstanden?«
    An Geld hatte Edek nicht gedacht, aber Wilfrieds Mutter hatte recht. »Ja, neue Sarg ist bestimmt nicht billig, bestimmt ziemlich teuer sogar ...«
    »Teuer, natürlich. Nennen Sir mir Ihre Summe, Herr Eduardo Stermann, ich bin mit allem einverstanden.«
    Das verstand Edek nur zum Teil. Irgendwie war Wilfrieds Mutter äußerst seltsam. Nicht ganz normal, ein bisschen verrückt.
    »Summe ist ...«, überlegte er laut. Was mochte so ein Sarg kosten? Er hatte noch nie einen gekauft. »Summe ist bestimmt tausend ... und ääh ... tausend und ...« Ein warnendes Piepsen des Handys unterbrach ihn. Der Akku war fast leer, er hatte in der Hektik des Tages vergessen, ihn zu laden. »Hier ist gleich Schluss«, erklärte Edek.
    »Nein«, rief Dr. Jagenberg, »legen Sie bitte nicht auf. Ich habe Sie schon verstanden: Tausend mal Tausend, also eine Million. Kein Problem! Ich kann eine Million besorgen. Und jetzt sagen Sie mir endlich, wohin ich das Geld bringen soll und wann?«
    Edek schwieg. Sein Kopf war plötzlich wie zugemauert und er fand nicht ein einziges Wort. Dafür sank seine Hand mit dem Handy langsam nach unten und der Daumen, der ihm nicht mehr zu gehören schien, drückte auf den »Aus«-Knopf.
     

· 2 ·
     
    V anessa Jagenberg hielt den Hörer noch eine Weile in der Hand, als könne sie das abrupte Ende des Gesprächs nicht begreifen, dann legte sie auf.
    Seitdem sie heute früh im Bonner Anzeiger die Nachricht von der verschwundenen Leiche in Augsburg gelesen hatte, war sie sich sicher, dass etwas Schreckliches geschehen würde. Eine bohrende Unruhe, die sich schließlich bis zur Panik steigerte, hatte sie erfasst und sie war nicht in der Lage gewesen, auch nur einen einzigen vernünftigen Gedanken zu fassen. Aber als man sie vor ein paar Minuten zum Telefon gerufen hatte, als sie das gebrochene Deutsch und den harten Akzent des Mannes vernommen hatte, der ihr mitteilte, Wilfried und Ludwig befänden sich in seiner Hand, da waren ihr sofort alle Zusammenhänge klar geworden. Da hatte sie endlich eine Antwort auf die quälenden Fragen, warum Wilfried sich nicht meldete, warum seine komplette Akte aus der Klinik verschwunden war, warum er, der geistig behinderte Riese, nirgendwo aufgefallen war: Die brasilianische Mafia war auf den Plan getreten, sie forderte ihren Tribut für die Million Dollar, die ihr Ludwig schuldete.
    Vanessa Jagenberg spürte, wie sie eine Welle von Angst erfasste. Die Mafia kannte keine Gnade. Noch hatte sie den Anblick der geisterhaften Goldmine vor Augen, in die sie zusammen mit Ludwig vor vielen Jahren geraten war. Die Holzhütten waren niedergebrannt und überall lagen grausam zugerichtete menschliche Körper. Der Eigentümer hatte sich geweigert, das Erpressungsgeld zu zahlen, die Mafia hatte nach den ihr

Weitere Kostenlose Bücher