Auf in den Urwald (German Edition)
weiteren Fragen, wie es ihm gehe. »Gestern waren viele Leute da!«, versuchte er es. »In Kasse ist ganz viel Geld, vielleicht sechstausend, oder bestimmt mehr ...«
»Ja, das habt ihr gut gemacht.« Mirja legte ihre Hand auf seine und drückte sie. »Wenn ich euch beide nicht hätte, könnten wir das Geschäft wirklich gleich zumachen. Jeschke wäre dann fein raus. Wundert mich sowieso, dass er nicht schon nachgefragt hat.«
»Nein, Jeschke war nicht da, hat auch nicht gefragt.« Die Unterhaltung nahm schon wieder eine schlechte Wendung, es war wie verhext. An Jeschke mochte Edek im Moment gar nicht denken. An gar nichts mochte er denken.
Zum Glück erbebte in diesem Augenblick der Wagen und Wilfried kam mit eingezogenem Kopf herein. Er wischte sich die noch nassen Hände eilig an der Hose ab und setzte sich wortlos an den Tisch.
»Guten Morgen!«, begrüßte ihn Mirja und reichte ihm die Kaffeekanne.
Wilfried lächelte ihr zu, ohne etwas zu sagen. Dann belegte er sich ein Toastbrot mit Käse und begann zu frühstücken. Trotz der langen und turbulenten Nacht sah er frisch aus, seine Wangen waren gerötet und um seine Augen lag ein freudiges Strahlen.
»Beeil dich, Wilfried«, sagte Edek trocken, kaum hatte dieser den ersten Bissen getan. »Gleich müssen wir anfangen, Geisterbahn abbauen, ist nicht viel Zeit!«
Wilfried nickte eifrig und kaute schneller.
»An das Abbauen hab ich gar nicht mehr gedacht«, fiel Mirja ein. »Wenn ich hier alles weggespült habe ...«
»So viel Arbeit ist auch wieder nicht!«, beeilte sich Edek. »Ich spüle und du kannst ruhig zu deine Papa in Krankenhaus fahren.«
»Nein, das kann ich auch heute Nachmittag machen, wenn hier das Gröbste weg ist.«
»Edek und Wilfried machen schon allein, nicht wahr, Wilfried?«
Wilfried nickte und lächelte.
»Du ... du kannst besser einkaufen gehen. Nichts ist mehr da in Kühlschrank. Und heute Mittag kannst du etwas für mich kochen. Etwas Gutes, zum Beispiel etwas mit Fleisch und Soße. Wenn Wilfried und ich arbeiten allein, geht alles schneller, ist mehr Platz, wirklich! Und deine Papa geht auch besser, wenn du in Krankenhaus bist!«
»Wenn du meinst ...«, sagte Mirja. »Es ist wirklich nichts mehr da.« Sie trank etwas von ihrem Kaffee und überlegte dann laut weiter: »Das wird jetzt ganz schön schwierig werden mit meinem Vater. Wenn wir erst mal in Pforzheim sind. Ich weiß gar nicht, wie ich das dann machen soll?«
»Kein Problem. Edek hat schon alles überlegt. Wohnwagen bleibt hier in Augsburg, und du kannst auch bleiben, bis es deine Vater wieder gut geht.«
»Aber ich kann euch doch nicht die ganze Zeit allein lassen!«
»Doch, kein Problem. Edek und Wilfried machen alles allein, nicht wahr, Wilfried?«
Wilfried nickte wieder nur und lächelte.
»Na ja, vielleicht erholt sich Papa diese Woche«, meinte Mirja. »Das Geschäft muss schließlich weitergehen. In zwei Wochen, auf der Kirmes in Bonn, da bin ich dann auf jeden Fall wieder ganz dabei!«
Wilfried hörte schlagartig auf zu kauen.
Edek wurde blass.
Wilfried richtete sich auf und holte Luft.
Edek gefror das Blut in den Adern.
Wilfried öffnete halb seinen Mund, erinnerte sich dann jedoch an etwas ... und kaute weiter, wenn auch langsamer.
Nach der ersten Schrecksekunde glaubte Edek, Tausende von heißen Nadeln stürzten auf ihn ein. Die verdammte Kirmes in Bonn hatte er völlig vergessen! Das fehlte noch, nichts blieb ihm erspart, aber auch wirklich gar nichts! Doch wenn Wilfried glaubte, dass sein Onkel Ludwig bis Bonn in der Geisterbahn bleiben durfte, dann täuschte er sich gewaltig! Morgen in der Nacht, in Pforzheim, wenn dieser Verrückte schlief, würde er seinen Onkel zum Friedhof bringen. Das war beschlossene Sache, daran gab es nichts zu rütteln! Mochte ihn dort endlich der Teufel holen, den Urwaldonkel, das grinsende Ungeheuer, den ...
»Brauchst du noch etwas aus der Stadt?«, frage Mirja und riss Edek damit aus seinen Gedanken.
»Nein«, sagte Edek.
»Und du, Wilfried?«
Wilfried schüttelte den Kopf und lächelte.
»Sag mal«, fiel Mirja auf, »sprichst du nicht mehr mit mir?«
Wilfried schaute ratlos Edek an. Er hatte ihm verboten, auch nur ein einziges Wort zu sagen, und so wie die Dinge standen, wollte er sich unbedingt daran halten.
»Was guckst du so?«, fuhr Edek Wilfried an. Er hatte seine Drohung schon längst vergessen.
Wilfried machte ein gequältes Gesicht und presste die Lippen aufeinander. Da fiel es Edek wieder
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