Auf in den Urwald (German Edition)
Lachanfall. Seine großen Zehen ragten weiß heraus, er hatte die Socken durchgetanzt! Er zog die triefenden Socken aus und warf sie in den Abfalleimer.
Dann nahm er die Stiefel und sie liefen weiter Hand in Hand durch den Regen. Bald waren sie auf der Rheinbrücke. Der Fluss rauschte unsichtbar, die Lichter des Chinarestaurants waren schon erloschen und die Kirmeswiese lag im Dunkeln.
»Vorsicht!«, sagte Edek auf der Treppe. Sie war glatt.
»Schön so barfuß«, meinte Mirja, als sie unten auf dem Rasen angekommen waren.
»Ja, schön weich«, bestätigte Edek.
Sie gingen langsamer. An der Geisterbahn blieben sie stehen und küssten sich wieder.
»Jetzt komm in Wohnwagen«, sagte Edek, »ich will ...«
»Pst!« Mirja legte ihm den Finger auf den Mund. »Ich will auch!«
»Äh«, flüsterte Edek, dem plötzlich noch wärmer wurde, als es ihm ohnehin schon war, »du meinst wirklich?«
»Ja, ich meine wirklich! Oder willst du es doch nicht?«
»Doch, ich will«, sagte Edek. Er nahm Mirjas Hand und sie gingen und das Wasser platschte unter ihren nackten Füßen.
· 3 ·
A ls Edek aufwachte, schien ihm die Sonne durch die Ritzen der Jalousie ins Gesicht. Er drehte sich um und schaute eine Weile Mirja an, die noch schlief. Dann schloss er wieder die Augen. Es war ihm, als sei er seit heute Nacht ein neuer Mensch. Und doch auch wieder ganz der alte. Er war eigentlich neu und alt gleichzeitig. Der alte Edek war noch müde und hätte stundenlang weiterschlafen können. Der neue dagegen war hellwach. So wach, dass ihm gleich alles auf einmal einfiel, was in der Nacht geschehen war: die Disco, der warme Regen, die Umarmungen, Mirja, und wie schön es dann geworden war, wie anders ... Nach und nach verlor Edek sich in seinen Erinnerungen und fiel schließlich in einen leichten Halbschlaf. Doch plötzlich – er wusste nicht, waren eine Minute oder eine ganze Stunde vergangen – schreckte ihn ein Geräusch auf. Ein Auto war vor dem Wohnwagen vorgefahren, und er hörte das metallische Quietschen von Bremsen. Edek hob die Jalousie an. Er konnte nur den hinteren Teil des Autos sehen, aber das genügte. Es war ein Polizeiauto.
Edek sprang aus dem Bett und weckte damit Mirja.
»Müssen wir schon aufstehen?«, fragte sie verschlafen und blinzelte in die Sonne.
»Ist wieder Polizei gekommen«, sagte Edek ziemlich beunruhigt. Er sammelte seine Sachen auf. Sie waren noch ziemlich nass und er hatte Schwierigkeiten, sie anzuziehen.
Jemand klopfte an die Tür.
»Warte!«, sagte Mirja. »Lass mich das mal machen!«
Sie stand auf, holte frische Sachen aus dem Wandschrank, zog sich rasch an und ging nach vorne.
Edek kämpfte mit der nassen Lederhose. Blitzartig ging ihm die Frage durch den Kopf, ob Vanessa Jagenberg nun doch alles verraten habe. Sie war ja letztendlich verrückt und Verrückte waren unberechenbar, Wilfried hatte es ihm oft genug bewiesen. Edek überlegte fieberhaft, während er an den Hosenknöpfen nestelte. Er würde gleich alles leugnen. Mit einer Erpressung hatte er nichts zu tun. Beweise konnte es keine geben. Er hatte in seinem Plan doch darauf geachtet.
Mit zitternden Knien verließ Edek das Schlafabteil. Die Tür des Wohnwagens stand offen und er hörte, wie sich Mirja draußen mit dem Kommissar unterhielt. Ihre Stimme klang ganz und gar nicht aufgeregt. Im Gegenteil, es hörte sich an, als freue sie sich. Verwundert ging Edek zur Tür und dann sah er ihn, Wilfried. Er stand neben dem Polizeiauto, eine große Tasche an seiner Seite, und wirkte ziemlich übernächtigt.
»Ach, Herr Ostermann! Guten Morgen!«, begrüßte ihn der Kommissar freundlich, als Edek den Wohnwagen verließ.
»Ja, guten Morgen«, sagte Edek und versuchte zu lächeln. Er musste sich erst noch von dem Schrecken erholen.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie schon um diese Zeit geweckt habe«, meinte der Kommissar ein wenig verlegen, »aber ich habe es gerade schon erklärt.« Er schaute zu Wilfried hinüber, der immer noch regungslos neben dem Auto stand. »Der Friedhofswärter hat uns vor einer halben Stunde angerufen und um Hilfe gebeten. Herr Jagenberg hat wohl die ganze Nacht am Grab seines Onkels verbracht. Als ich ihn fragte, ob ich ihn wieder nach Hause bringen soll, wollte er nicht. Er sagte, er will wieder zurück zur Geisterbahn. Ich dachte, das geht in Ordnung, schließlich hat er ja hier gearbeitet.«
»Klar geht das in Ordnung«, sagte Mirja. »Ich habe die ganzen letzten Tage immer wieder bei der Polizei
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