Auf Inseln (German Edition)
Philosophen vergangener Äonen haben sich darüber Gedanken gemacht. Führten die pessimistischen unter ihnen ein frustriertes Leben? Es muss an den Umständen seines Lebens liegen. Die unglaubwürdige Pfaffengesellschaft hat aus ihm das gemacht, was er darstellt. Ein bisschen hatte er Pech. Es ist keine objektive Philosophie der Sinnlosigkeit, die ihn umtreibt, sondern seine eigene subjektive Suppe, die er auslöffeln muss. Ein zweiter Versuch, zum Panoramafenster zu kommen. Diesmal stehen ihm keine Affen in der Quere. Er muss gut dreißig Meter zur Spitze des Raumschiffs zurücklegen, gegen die Schwerkraft, da das Raumschiff wieder Richtung Sonne beschleunigt. Es ist eine anstrengende Kletterpartie. Niemand begegnet ihm auf dem Weg zur Spitze. Er findet Aufenthaltsraum E alleine vor. „Gut so“, denkt er sich. Die Erde befindet sich genau über der Mitte des Raumes. Hier stehen neben den üblichen Accessoires, die einen Aufenthaltsraum ausmachen, ein paar Liegen, die den Blick in die Flugrichtung gestatten, ohne dass man sich den Hals verrenken muss. Auf dem Rücken liegend lässt er sich von dem vor ihm liegenden Kosmos überwältigen. Die Stelle, wo die Sonne sich befinden muss, braucht nicht markiert werden. Man kann die Sonne, 60 Lichtjahre entfernt, mit dem bloßen Auge nicht erkennen. Es wurde ein kleines Spiegelteleskop aufgebaut, indem man die gekennzeichnete Sonne betrachten kann. Sie sieht nicht weiter auffällig aus. Selbstverständlich ist die Erde nicht sichtbar, auch Jupiter nicht. Der hellste Stern im Blickfeld ist Arkturus, den sie hinter sich lassen werden. Das Raumschiff hat seit einigen Tagen wieder Fahrt aufgenommen, ist vergleichsweise langsam. Noch eine längere Zeit wird das Licht der Sterne im optischen Bereich bleiben, bis es im wesentlichen ultraviolett wird. Dann sieht man hier nichts mehr. Es wird noch Jahre dauern, bis sie die Sonne erreichen. Nach errechneten dreißig Lichtjahren werden sie wieder abbremsen müssen. Es macht zeitlich kaum einen Unterschied, ob man dreißigtausend Lichtjahre oder sechzig Lichtjahre mit dem Watanabe-Antrieb zurücklegt. Der wichtigste Unterschied ist, dass die kleine Strecke viel sicherer ist. Sternenlos war man gemeinhin auf ihrer Welt, wenn man von den paar Planeten, den beiden Monden und der Attraktion Helena absah. Hier müssen mehrere Tausend Sterne für sein Auge sichtbar sein. Es gilt als sicher, das sie die Strecke zum Sonnensystem schaffen werden. Die Strecke hinter ihnen barg das Risiko, von wechselwirkender interstellarer Materie zerstört zu werden. Nun ist das Risiko mehr als tausendfach geringer. Schöne Aussichten! Die Verhältnisse an Bord könnten sich normalisieren. Er hat und hatte die Gelegenheit, Dinge zu sehen, die nie zuvor Menschen gesehen hatten. Er brauchte nie zu hungern, war bisher nie ernsthaft krank. Wer ist er, dass er seinem Leben den Sinn abstreitet? Er hat die Existenz Gottes bestritten. Scheinbar braucht er diesen Sinnspender, aber dies würde er verneinen. Ein Gott nach der Maßgabe der Theologie New Avignons würde das Leben noch viel sinnloser machen, da ist er sich sicher. Spürbar sinnloser! Er bläst Rauchkringel gegen den Sternenhimmel, denkt an die unzähligen Welten, auf denen sich Kreaturen befinden müssen, die wie er saufen wollen, um der Kälte zu entgeh en. Vielleicht haben sie es besser. Er ist sich sicher, dass der aufgeklärte, unterdrückte Mensch dieses Elixier braucht, um der permanenten Hoffnungslosigkeit zu entgehen. Die überwältigende Aussicht über ihm ist also ein sinnloses Konstrukt. Er muss weiter Kringel gegen den Himmel blasen. Das Bild über ihm hat etwas Beruhigendes, aber innerlich ist er schon recht unruhig. Er nimmt etwas von seinem Wasser. Eine weitere Person, Henry Newton betritt den Raum E, legt sich neben ihm, spricht ihn an, ohne ihn zu grüßen, faselt etwas von der Großartigkeit der Schöpfung Gottes.
- 13 -
Einige Monate waren vergangen, es war Frühling. Wir schlugen uns so durch. Ich hatte mich eine Zeit lang im Hafen als Arbeiter verdungen. Die Gegenwart des Meeres erinnerte mich oft an New Havanna. Irgendwann platzte Paul abends in der Kneipe mit einer sensationellen Neuigkeit herein.“Sie wollen uns!“, rief er aus. „Wer will uns? Bestell dir erst einmal ein Bier und setz dich.“ Ich nahm selbst einen guten Schluck und zündete mir eine Zigarette an. Er setzte sich auf den
Weitere Kostenlose Bücher