Auf Inseln (German Edition)
Abbremsung wieder die erwünschte Schwerewirkung in der St. John brachte. Die Rotation, mit kleinen Steuerdüsen, hatte eine knappe Stunde gedauert, die wir angeschnallt verbrachten, da in dieser Zeit auf der St. John Schwerelosigkeit herrschte. Schließlich hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen, durchweg eine Illusion, wenn man bedachte, was für ein fragiles Objekt durchs All schoss. Danach bremste die St. John unentwegt, um mit kleiner Geschwindigkeit in die Nähe von Aurelia zu gelangen. Paul und ich machten Witze darüber, ab welchem Abstand, ausgedrückt in Millionen Kilometer, der Wahnsinn über uns kommen würde. So weit uns bekannt war, hatten die übrigen Besatzungsmitglieder nie Kontakt mit den Aborigines gehabt. Vielleicht war der eine oder andere in seinem Leben von einer Avignonwespe gestochen worden. In unserer Vorbereitungszeit, die mir immer noch erstaunlich kurz vorkam, waren weder Paul noch ich Psychose-erzeugende Substanzen ausgesetzt worden. Das Training der Stammbesatzung war länger ausgefallen, ich war ja nur ein Versuchskaninchen, eine Testperson, die ein nicht unerhebliches Wissen über die Geschichte der Menschheit besaß. Mir war trotzdem nicht klar, was man sich von meinem Einsatz versprach, trotz vielfacher Erklärungen während der Trainingszeit. Die Teleskope lieferten inzwischen bessere Bilder von Aurelia, im Frequenzbereich von Radiostrahlung wurde offenbar nur natürliche Strahlung aufgenommen. Hatten die Aurelianer – ich wusste keinen besseren Namen – keine Angst vor der St. John? Trotz der angstlösenden Medikamente, die wir seit Wochen nahmen, wurde die Anspannung an Bord immer größer. Kein Mensch wusste was mit uns geschehen würde. Vielleicht würden wir einfach im Weltall verpuffen. Der Führung wäre eine Art Begrüßungskomitee recht gewesen, ein kleines Schiff, dass uns entgegen käme, aber womöglich besaß das Völkchen in Flugrichtung keine Raumfahrttechnologie. Die Gedanken drehten sich im Kreise, da wir uns immer wieder mögliche oder denkbare Varianten der Kontaktaufnahme vorstellten. Würde ein irgendwie gearteter telepathischer Kontakt mein materialistisches Weltbild weiter erschüttern? Ich bezweifelte, dass wir in die Fähre einsteigen, nach einem kleinen Flug mit ihr landen und einen Landausflug machen würden, die St. John im Orbit von Aurelia. Helena hatte sich inzwischen in ein gleißendes Objekt gewandelt. Womöglich ging von ihr eine mysteriöse Strahlung aus, die uns Menschen verrückt machte und es gab gar keine Aurelianer. Ich war es leid, immer wieder zu spekulieren. Wenn kein Kontakt vorher aufkam, würden wir in den Orbit von Aurelia eintreten, die Fähre besetzten und ein ausgewähltes Ziel anfliegen. Es war beschlossene Sache, dass Paul und ich mit von der Partie sein würden. Die Messungen an Bord bestätigten die Modelle, die man sich in New Avignon von Aurelia gemacht hatte. Aurelia hatte eine ähnliche Atmosphäre wie die von New Earth, mit Stickstoff und Sauerstoff, der Kohlendioxidgehalt war etwas geringer. Die Masse des Planeten hatten wir sehr genau vorhergesagt, seinen Durchmesser mussten wir nach oben korrigieren, sodass er den von New Earth um zweitausend Kilometer übertraf. Es war evident, das dieser Planet Leben auf Kohlenstoffbasis barg. Es musste auf der Tagesseite größere Ozeane geben, die Rückseite lag im ewigen Eis. Wir hatten nur noch 24- 26 Stunden bis zu einem möglichen Orbit: Es mochten die letzten Stunden in meinem Leben sein, Zeit für einen letzten Schlaf, aber unter diesen Bedingungen war es wohl schwierig einzuschlafen. Die Mittel, die wir einnahmen, waren allerdings Schlaf fördernd. Die Piloten der St. John hatten eh Schichtdienst. Trotz aller Neugier, ich könnte irgendetwas verpassen, legte ich mich in unserer Gemeinschaftskabine aufs Ohr, ließ meine Gedanken wandern, sie besuchten Frauen, Katharina, Paola beziehungsweise ihre Doppelgängerin, kümmerten sich um Ramona, als sie wahnsinnig wurde.
Ich musste dann wohl eingeschlafen sein, was im Weltall nicht so einfach ist, da die Metallhülle in der man sich befindet, kaum Geborgenheit gibt. Irgendwann kamen die Träume, lebhafter als gewöhnlich. Ich stand auf den grünen Hügeln von New Avignon, unter mir lag eine kleinere Bischofsstadt. An meiner Hand hatte ich eine Prinzessin, die mir sehr vertraut vorkam und kein Kopftuch trug. Sie fragte, ob die Stadt unter uns mir gehöre. Ich verneinte und erklärte ihr, dass wir auf der Flucht seien.
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