Auf Inseln (German Edition)
wie diese Telepathie, die die Aborigines und die Aurelianer benutzen, möglich sei. „Sie widerspricht unserer Physik. Gewöhnliche Materie kennt nur eine Wechselwirkung mit elektromagnetischer Strahlung. Es sind aber keine geheimnisvolle Radiowellen, die diese Kommunikation zustande bringen, Experimente mit faradayscher Abschirmung beweisen das.“ Paul setzte offenbar mit seiner Frage voraus, dass unsere Gastgeber über eine Physik verfügten, die ihre eigene Kommunikation erklären konnten. Die Aurelianer gaben ihm keine Antwort, boten ihm aber an, ihm weitere Lektionen in Go zu geben. Er habe das Talent drei Steine besser zu spielen. Paul nahm das Angebot sofort an. Was hatte Paul mit seiner Frage nach der Physik erwartet? Dass man ihm alle Geheimnisse präsentieren würde? Die Menschheit hatte, wenn sie denn in unserem System überlebte, einen langen Weg vor sich.Sie musste sich die Geheimnisse des Universums selbst erarbeiten. Gloria war die ganze Zeit ruhig geblieben und fand offensichtlich auch Gefallen an dem orangefarbenen Getränk, dessen Namen ich mir nicht merken konnte. Manchmal kicherte sie, vielleicht eine Reaktion auf das Gelächter unserer Gastgeber, wenn Gott in unseren Gesprächen erwähnt wurde. Irgendwann brachte es der Captain auf den Punkt, als er die Aurelianer fragte, ob sie an ein höheres Wesen glauben würden, an einen Gott, der die Welt erschaffen hatte. Das darauf erschallende Gelächter wollte nicht abklingen. Als etwas Ruhe eingekehrt war, erwe iterte ich die Frage, ob sie vielleicht an viele Götter glaubten, wie dies auch auf der Erde vorgekommen war. Ihre Antwort fiel etwas dezenter aus. Es war nur ein kurzes hi hi hi. Dieses Völkchen schien aus komischen Atheisten zu bestehen, was mir ja grundsätzlich nicht unsympathisch war. Der Captain bat um eine Räumlichkeit, um eine Messe abhalten zu können. So eine Veranstaltung interessierte mich weniger. Nichts gegen Ramona, aber ich hatte meine eigene Messdienerin, mit sehr göttlichen Attributen ausgestattet, wie es einer Tochter Gottes geziemte. Ich wollte nicht ausschließen, dass es davon mehrere gab. Ich bat eine Pause machen zu dürfen, um etwas frische Luft zu schnappen. Der Captain schien nichts dagegen zu haben. Ohne die Hilfe eines Aurelianers nahm ich den Weg nach draußen und zündete mir als Erstes eine Zigarette an. Die mächtige Helena stand immer an gleichen Platz, verteilte ihr warmes Licht auf diese Seite des Planeten, während die Rückseite im ewigen Eis schlummern mochte. Die Temperaturen hier draußen waren immer gleich und angenehm. Ich wunderte mich darüber, warum die Aurelianer pelzige Wesen waren, aber wie gesagt gab es ungemütlichere Ecken auf diesem Planeten. An jedem Ort dieses Planeten war das Wetter immer dasselbe, das Wetter kannte keine zeitliche, sondern nur räumliche Veränderung. An diesem Ort, mit Temperaturen um die fünfundzwanzig Grad wehte der mäßige Wind immer aus der gleichen Richtung, es schien keine Zeit zu vergehen, weil sich die riesige Helena nicht bewegte. Wenn sich die Temperaturen zwischen den „extremen Jahreszeiten“ um fünf Grad unterscheiden mochten, änderte sich die Temperatur von Tag zu Tag – ein übernommener Begriff, den hier gab es keinen – um weniger als ein zehntel Grad. Irgendwann würde es vielleicht hier regnen und kühler sein. Ich begann, mir ein erstes Mal Gedanken über meine Zukunft zu machen. Konnte ich mir vorstellen, für immer hier zu bleiben? Vielleicht hatte ich die Wahl. An Seite der verrückten Gloria, die nur eine Ausgeburt meiner Fantasie sein mochte, war das eigentlich keine Frage. Vermutlich wäre es so eine Art Schlaraffenland, ich hatte die Bedeutung des Begriffes erklärt. Ich würde stattdessen religiösen Wahn, unfreiwilliges Zölibat, Paranoia und Verfolgung aufgeben. Es wäre schön, Paul zum Bleiben zu bewegen, aber vermutlich hatten wir keine Wahl, mussten zurück nach New Avignon mit seinen theokratischen Strukturen und modernen Überwachungstechniken, mit einem weiteren Schaden für immer. Ich ging zurück in die Konferenzhalle. Die Versammlung wollte sich auflösen, einige von uns meldeten Müdigkeit an. Gloria saß isoliert am Tisch und mochte über Pläne sinnieren, die Welt zu erlösen. Ich ging zu Paul, forderte ihn auf, die Lektionen zu beenden, um sich stattdessen gemeinsam mit mir mit Gottes Tochter zu vergnügen und erlösen zu
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