Auf keinen Fall Liebe
einmal in seinem Bett liegen würde.
Tatsächlich erschienen Horace Dunlop und seine Frau Rosalie am Montagmorgen pünktlich um neun Uhr in der Praxis.
Faith führte sie ins Untersuchungszimmer. »Dr. Clarke, Mrs. Dunlop«, erklärte sie dem überrascht dreinschauenden Lucian und musste sich ein kleines Lächeln verkneifen.
Nach und nach trudelten weitere Patienten ein, und auch das Telefon stand nicht mehr still. Es sah beinahe so aus, als hätte ganz St. Albury sich verabredet, den neuen Arzt kennenzulernen, und Faith freute sich darüber. Sie vereinbarte Termine, pflegte Lucians Notizen in den PC ein und ging ihm zur Hand, wenn er sie benötigte.
»Das war ja ein ziemlicher Andrang heute«, sagte er kopfschüttelnd, als sie abends beim Essen saßen. »Erst tut sich gar nichts, und dann rennen sie mir fast die Tür ein.«
Faith schmunzelte. »Wollen Sie sich etwa beklagen?«
»Nein, um Gottes willen, ich bin ja froh, dass ich endlich etwas zu tun habe. Ich wundere mich nur ein bisschen, das ist alles.«
Er warf ihr einen durchdringenden Blick zu, und sie wechselte rasch das Thema.
»Was ich noch fragen wollte – möchten Sie eigentlich, dass ich einen Kittel anziehe?«
»Ich möchte am liebsten, dass du dich ausziehst«, schoss es ihm spontan durch den Kopf.
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte er laut und beschäftigte sich angelegentlich mit seinem Sandwich.
»Es hätte ja sein können, dass Sie Wert auf eine bestimmte Kleiderordnung legen«, sagte Faith achselzuckend. »Falls ja, müsste ich mir nämlich etwas bestellen.«
Lucian schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht nötig. Ich trage selbst keinen Kittel, ich fühle mich darin nicht wohl. Ziehen Sie einfach an, was Sie möchten, das ist schon in Ordnung.«
»Gut, ich war auch nicht besonders wild darauf, mich als Krankenschwester zu verkleiden«, lächelte sie.
Unwillkürlich sah er sie in einem enganliegenden Schwesternkittel auf seinem Schoß sitzen, die Knöpfe bis fast zur Taille geöffnet, darunter nichts als nackte Haut.
»Oh mein Gott«, stöhnte er innerlich auf, während er krampfhaft versuchte, die Fantasien in seinem Kopf zu verscheuchen, »die lange Enthaltsamkeit bekommt mir überhaupt nicht. Wenn das noch ein bisschen so weitergeht, drehe ich durch.«
Er räusperte sich. »Nein, darauf bin ich ehrlich gesagt auch nicht scharf.«
17
A llmählich pendelte sich der Alltag ein. Während Faith sich morgens zunächst um Emily kümmerte und sie fertigmachte, besorgte Lucian auf seiner Joggingrunde Brötchen, brühte Kaffee auf und deckte den Tisch. Sie frühstückten zusammen, dann brachte er Emily zur Schule, und Faith bereitete in der Praxis alles vor.
Mittags kochte Faith das Essen, Lucian nutzte die Zeit um Telefonate zu führen oder andere Dinge zu erledigen, und wenn Emily aus der Schule kam, aßen sie gemeinsam. Am Nachmittag war Emily oft bei Freunden zu Besuch, oder sie hielt sich bei Polly und Molly auf.
Zwischen achtzehn und zwanzig Uhr absolvierte Lucian seine Hausbesuche, anschließend gab es Abendessen.
An den Wochenenden saßen sie häufig mit Polly und Molly im Garten oder Lucian unternahm mit Emily kleine Ausflüge in die nähere Umgebung. Er bat Faith jedes Mal, sie zu begleiten, doch sie lehnte stets ab. Zum einen wollte sie den beiden Gelegenheit geben, einander in Ruhe kennenzulernen, zum anderen hielt sie es für ratsam, sich außerhalb der Alltagsroutine nicht zu oft in Lucians Nähe aufzuhalten.
Sie nutzte die Zeit dann meistens, um das Haus in Ordnung zu halten oder sich um den Garten zu kümmern.
Lucian hatte ihr angeboten, jemanden zu engagieren, der sie bei der Hausarbeit unterstützen sollte.
»Ich habe Sie schließlich nicht eingestellt, damit Sie mir den Haushalt führen«, hatte er erklärt, »Ich habe ein schlechtes Gewissen und möchte Sie nicht ausnutzen.«
»Das ist schon okay, ich würde es nicht machen, wenn ich es nicht wollte«, hatte Faith abgelehnt. »Außerdem helfen Sie ja auch mit, und es klappt doch so ganz gut.«
In Wahrheit fühlte Faith sich sogar sehr wohl mit der Situation, manchmal dachte sie wehmütig, dass sie beinahe wie eine kleine Familie zusammenlebten. So ähnlich hatte sie sich ihr Leben eigentlich immer vorgestellt, ein schönes Haus, zwei gesunde Kinder, einen Hund und einen Mann, der sie aufrichtig liebte.
»Nun ja, das Haus hätte ich zumindest schon mal«, ging es ihr frustriert durch den Kopf, während sie sich an einem Nachmittag daran machte, die
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