Auf nassen Straßen
ein Sieger, als der er an dem elterlichen Schiff vorbeirauschen wollte.
Kurz nach dem Einsteigen in das Innere der ›Guter Weg‹ erschien Bunzel wieder, über der Schulter den schlaffen Körper von Hannes. Er trug ihn zum Boot der ›Fidelitas‹, wo die vier Matrosen ihn in Empfang nahmen. Der alte Baumgart legte wieder die Hände trichterförmig vor seinen Mund.
»Ich danke Ihnen, Reeder!« rief er zu der Kommandobrücke hinüber. »Schreiben Sie mir nach Duisburg-Ruhrort, wohin Sie meinen Sohn gebracht haben.«
In die Hölle, dachte Jochen grimmig. In die Hölle mit ihm! Ich werde keinen Finger krümmen, um ihm zu helfen.
»Gott vergelt's Ihnen!« hörte er die Stimme des Vaters. »Er ist mein einziger Sohn!«
Es fuhr wie ein heißer Schlag durch seinen Körper. Er umklammerte den Türgriff und lehnte die Stirn an das kühle Glas. Mein einziger Sohn. – Es gab für die Baumgarts keinen Jochen mehr. Er war für sie gestorben …
Als Hannes auf die ›Fidelitas‹ gehoben wurde, stand Jochen Baumgart am Maschinentelegrafen und drehte auf halbe Fahrt. Er schloß die Augen, als man unten Hannes vorbeitrug. Durch seinen Körper lief ein Zittern. Der einzige Sohn … Er kam sich vor wie ein Gespenst, das über das Wasser irrt, wie ein Toter auf einem Totenschiff …
»Wir müssen beim nächsten Kanal-Kontrollpunkt halten und dem Wasserbau-Inspektor den Verletzten übergeben«, sagte Karl Bunzel, als er wieder auf der Brücke erschien. »Er muß sofort ins Krankenhaus.«
»Ich weiß. Veranlassen Sie alles, Bunzel. Ich gehe in meine Räume und möchte nicht gestört werden!«
»Gut, Mister.« Bunzel sah auf der Flußkarte nach, wo die nächste Kontrollstelle lag. Achmer hieß der kleine Ort. Von dort konnte ein Krankenwagen den Verletzten in knapp fünfzehn Minuten nach Osnabrück in eine große Klinik bringen.
»Wissen Sie übrigens, Mister«, sagte Bunzel, »daß der Alte genauso hieß wie Sie? Baumgart …«
»Ich weiß.« Jochen wandte sich ab und verließ den Kommandoraum. »Er ist mein Vater …«
Mit großen, verständnislosen Augen sah Bunzel ihm nach.
Jochen Baumgart brauchte neue Aufträge. Da er sein Gewissen betäubt hatte, fiel ihm die Verwirklichung seines Planes nicht schwer. Auf dem Rückweg fuhr er alle alten Geschäftspartner seines Vaters ab.
Als Sohn des alten Baumgart bekam er sofort überall Einlaß. Mit gewinnendem Lächeln, einem Charme, der überzeugte, verhandelte er über neue Frachtaufträge und brachte für die Rückfahrt immer neue Beiladungen heran.
In Ludwigshafen besuchte er die Firma Strecker & Co. Der Seniorchef, Emil Strecker, empfing Jochen mit ausgestreckten Händen und drückte ihn fast an seine Brust.
»Ich habe Sie als Kind auf den Knien geschaukelt«, rief er und goß in einen Schwenker goldgelben französischen Kognak ein. »Ihr Vater war so stolz auf Sie. Das erste Kind – und dann ein Sohn! Der Erbe des Betriebes!«
Jochen Baumgart sah auf den echten Buchara-Teppich. Er vermied es, Emil Strecker anzusehen. In seinen Augen brannte es.
»Wir haben jetzt ein modernes Schiff«, sagte er rauh. »Das schnellste und modernste auf dem Rhein. Überhaupt in Europa! Die ›Fidelitas‹.«
»Man hört ja Wunderdinge von ihr.« Emil Strecker stieß mit dem Glas bei Jochen Baumgart an. »Sie brauchen die Hälfte der sonstigen Transportzeit, stimmt das? Und auch das Be- und Entladen geht schneller durch neuartige Verladeeinrichtungen?«
»Es stimmt!«
»Alle Achtung! Ich freue mich, daß der alte Baumgart das noch geschafft hat. In diesen schweren Zeiten.«
»Man muß mit der Zeit gehen. Das hat auch Vater begriffen.« Jochen stockte, aber dann sprach er weiter. »Es ist auch ein Vorteil für Sie, wenn Sie Ihre Kunden früher beliefern können als die Konkurrenz.« Jochen beugte sich vor. »Bedenken Sie eins, Herr Strecker: Die Konkurrenz fährt noch mit den alten Schiffen! Schließen wir einen Exklusivvertrag miteinander, fahre nur ich Ihre Warengruppen. Das bedeutet für Sie einen Vorsprung, den die Konkurrenz nie herausholen kann. Wir könnten uns zusammenschließen zu einer Arbeitsgemeinschaft. Sie produzieren, ich transportiere. Das ist ein glattes und einträgliches Geschäft.«
Emil Strecker sah es ein. Es gehörte nicht viel Geschäftssinn dazu, diese Logik anzuerkennen.
»Wir können es einmal probieren«, sagte er. »Auf ein Jahr. Sie halten den bisherigen Frachtpreis?«
»Ich würde vorschlagen, zehn Prozent als Zuschlag für die Zeitersparnis
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