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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Baumgart nicht mehr … Was er auf dieser Rheinstrecke erlebte, zeigte ihm, daß er einem Überlegenen, einem Skruppellosen, einem Mann ohne Herz und Moral unterlegen war.
    In Duisburg war es die Firma Gebrüder Nolte, die ihn verwundert empfing. Karl Nolte, der älteste der drei Brüder und Leiter des Versandes, schüttelte den Kopf, als der alte Baumart zu ihm hintrat und fragte: »Haben Sie Fracht für mich? Und wenn es eine Beiladung ist – ich verschweige nicht – ich bin sonst am Ende!«
    »Soll das ein schlechter Witz sein?« Karl Nolte versuchte ein Lachen. »Haben Sie immer noch nicht genug, Sie alter Gauner? Genügt ein Zwei-Jahres-Vertrag nicht?!«
    »Zwei-Jahres-Vertrag?« Der alte Baumgart angelte nach einem Stuhl und setzte sich. Er drehte seine alte blaue Schiffermütze hilflos zwischen den Händen. »Sie bieten mir einen Zwei-Jahres-Vertrag?«
    »Nun hören Sie aber auf!« Karl Nolte klopfte Baumgart auf die Schulter. »Was wollen Sie, Peter?«
    »Eine Ladung.«
    »Können Sie haben!« Nolte ging zu seinem Schreibtisch und holte aus einem Fach eine Flasche Hennessy hervor. »Sie sollen geladen werden.«
    »Ich brauche Geld!«
    »Das haben Sie durch Ihre verdammten zehn Prozent!«
    Peter Baumgart schüttelte den Kopf, als habe er im Regen gestanden und werfe mit einem jähen Kopfschwung die Wassertropfen von sich.
    »Welche zehn Prozent?«
    Karl Nolte stellte das Glas, das er gerade füllen wollte, auf den Tisch zurück. Er sah den alten Baumgart aus verwunderten Augen an. Der Alte wird kindisch, dachte er plötzlich. Ein Glück, daß er einen solch smarten Sohn hat.
    »Die zehn Prozent Mehrfracht, die Ihre ›Fidelitas‹ durch die Fahrtverkürzung wieder herausholt.«
    »Meine ›Fidelitas‹?« stotterte Peter Baumgart. »Meine …« Er ließ die alte Schiffermütze aus den Fingern auf den Teppich fallen.
    »Nun spielen Sie nicht den Doofen!« sagte Karl Nolte ungewollt etwas grob. »Ich habe doch mit Ihrem Sohn einen Zwei-Jahres-Vertrag für die ›Fidelitas‹ abgeschlossen.«
    »Mein Sohn liegt in Osnabrück in der Klinik.«
    »Er war vor drei Tagen doch noch hier!«
    Im Gehirn des alten Baumgart dämmerte es.
    »Jochen –«, sagte er leise. Seine Stimme brach nach diesem Wort.
    »Ihr Ältester. Richtig! Er kam in Ihrem Auftrag und kassierte die gesamten Frachtaufträge unserer Werke. Ein verdammt harter Bursche, den Sie da großgezogen haben! Er hat mich so fertiggemacht, daß ich zwei Schlaftabletten nehmen mußte, um den Schock zu überwinden. Ihnen kann ich es sagen: Ihr Jochen hat das Zeug, alle zu überrunden.«
    »Er hat es bereits!«
    »Gratuliere!«
    »Danke!« Der alte Baumgart erhob sich. »Entschuldigen Sie, Herr Nolte …«
    »Bitte, bitte. Nun sagen Sie mir nur noch, was Sie hier wollten.«
    »Vieles, sehr viel … Ich habe heute durch Sie erfahren, daß ich auf dieser Welt nur noch für einen Sarg tauge.«
    »Was reden Sie da für einen Unsinn? Sie mit Ihrer ›Fidelitas‹! Überhaupt, alle Achtung! Wie haben Sie das bloß geschafft? Das Schiff kostet doch ein Vermögen! Ist Ihr alter Kasten abgebrannt, und die Versicherung hat gut bezahlt?«
    Ohne Antwort verließ Peter Baumgart das Büro Karl Noltes.
    Jochen hat die ›Fidelitas‹, dachte er. Jochen fährt das schnellste Schiff Europas! Und er nimmt mir meine Kunden weg. Alle meine alten, guten Kunden nimmt er mir weg. In meinem Namen schließt er Verträge. Er macht mich brotlos, er hungert seinen Vater aus – seine Mutter, seinen Bruder – Er vernichtet uns – mit meinem Namen …
    Er ballte die Fäuste und blieb mitten auf der Straße stehen. Die Leute, die an ihm vorbeigingen, sahen ihn verwundert an.
    Er lehnte sich gegen eine Hauswand und starrte in das Verkehrsgewühl. Autos und Menschen, Lichtreklamen und Schaufensterauslagen verschwammen vor ihm in einem sich drehenden Nebel.
    Er hat Hannes gerettet, durchfuhr es den alten Baumgart. Er hat ihn mit seiner ›Fidelitas‹ nach Osnabrück gebracht. Und ich habe es nicht gewußt … Keiner hat es gewußt. Auch Hannes nicht? Er hat mir nie darüber geschrieben.
    Peter Baumgart lief zum Hauptpostamt und meldete ein Gespräch nach Osnabrück an. Hannes sprach selbst. An seinem Bett stand ein Telefon, und die Zentrale der Klinik verband ihn mit dem Vater.
    »Es ist alles in Ordnung, Vater«, rief Hannes Baumgart. Seine Stimme klang freudig und frisch. »Irene pflegt mich rührend. Willst du sie auch sprechen?«
    »Später, Hannes, später. Ich wollte dich nur etwas

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