Auf nassen Straßen
weiter Platz wurde mit dem Holz bedeckt. Tannen, Fichten, Birken, Eichen, Buchen, Ulmen. Es war ein Gemisch aller Holzarten, über das jeder Holzhändler den Kopf geschüttelt hätte. Nicht aber Willke und Domaine.
Nachdem das Holz herangefahren war, begannen sie in nächtlicher Arbeit, die Stämme anzubohren und mit Pfropfen zu versehen. In die Hohlräume legten sie kleine metallene Kapseln – Kapseln mit Pervitin, Evipan, Dolantin – Kapseln mit Kokain und Morphium. Damit sie das Rauschgift jenseits der deutschen Grenze wiederfanden, malten sie mit blauer Farbe Nummern über die Stellen, Bezeichnungen, Stärkegrad und Gütezeichen.
»Det is ne Wucht!« sagte Herbert Willke, als sie die Mehrzahl der Kapseln in die Stämme versenkt hatten. »Darauf kommt keiner von den Zollhammeln! Det is die letzte Weisheit! Rauschgiftschmuggel im Baumstamm! Als ob die in Basel alle Stämme kontrollieren könnten!«
»Ein Stamm genügt, um die ganze Ladung zu beschlagnahmen.«
»Auf den Gedanken kommen sie gar nicht, daß ein biederes Holzschiff Koks an Bord hat!«
»Wenn es Betty gelingt, diesen Baumgart für uns zu gewinnen.«
Herbert Willke warf die halb gerauchte Zigarette weg.
»Sie wird's schon schaukeln. Noch vier Tage, dann können wir sagen: Zwei neue Bundesmillionäre stellen sich vor.«
»Oder zwei neue Sträflinge.«
Die ›Fidelitas‹ näherte sich Köln.
In Duisburg hatte Jochen Baumgart Post bekommen.
Einen Geschäftsbrief. »Absender: Großhandelsfirma Ex- und Import ›Transocean‹.«
Verwundert las Baumgart das Schreiben und reichte es Betty hinüber.
»Das ist in der jetzigen Not der Binnenschiffer eine einmalige Sache. Man bittet mich, eine Fracht zu übernehmen. Von Köln nach Basel und von Basel nach Rotterdam! Hier, lies bitte: ›Über die Frachtsätze werden wir noch sprechen. Sie erhalten auf jeden Fall das Doppelte der üblichen Frachtpreise, wenn Sie unseren Auftrag als Eilauftrag behandeln und sofort laden.‹«
Betty las den Brief. Sie brauchte die Unterschriften nicht erst zu entziffern. Sie kannte sie.
»Verstehst du das?« fragte Jochen Baumgart.
»Es hat sich herumgesprochen, wie schnell dein Schiff ist.«
Wieder zögerte sie, ihm die Wahrheit zu sagen. Die Angst vor Pierre Domaine und Herbert Willke schnürte ihr die Kehle zu.
»Wirst du das Angebot annehmen?«
»Zumindest werde ich mich mit dieser Exportgesellschaft in Verbindung setzen. Man soll keine Türen zuschlagen, ehe man sie weit geöffnet hat, um zu sehen, was hinter ihnen ist!«
»Wenn es nun eine Schwindelfirma ist?« wagte Betty einen Einwand. »Wolltest du in Köln ankern?«
»Geplant war es nicht. Aber jetzt tue ich es! Und wenn sie die Fracht zu fünfzig Prozent im voraus bezahlen, kann es keine Schwindelfirma sein.«
»Wenn, Jochen …«
»Wir werden es sehen. Der doppelte Frachtpreis lockt mich. Wenn es ein Dauerauftrag ist, wage ich es sogar, ein zweites Schiff auf Darlehen zu kaufen und die Konzerne aufzubrechen.«
»Du bist wahnsinnig!«
»Ich wage nur etwas! Ich werde in die Herde der Schiffer einbrechen wie ein Wolf!«
Das war der Augenblick, den Pierre Domaine gefürchtet hatte. Betty lehnte den Kopf an Jochens Schulter und schloß die Augen.
»Jochen …«, sagte sie leise.
»Ja?«
»Leg nicht in Köln an. Fahr weiter …«
»Aber warum denn?«
»Ich habe so ein dummes Gefühl …«
Er küßte ihre Nasenspitze und lachte. »Du bist doch ein Schäfchen«, sagte er. »Wenn mir die Gesichter der Leute nicht gefallen, mache ich sowieso nicht mit. Und Geld müssen sie auch nachweisen. Es ist fast unmöglich, einen Jochen Baumgart übers Ohr zu hauen.«
Herbert Willke behielt recht: Betty war zu ängstlich, Jochen die Wahrheit zu sagen. Sie fürchtete die Rache, und sie wußte, was es hieß, einen internationalen Ring als Gegner zu haben.
Pünktlich, wie es Domaine berechnet hatte, traf die ›Fidelitas‹ im Kölner Hafen ein.
Pierre Domaine und Herbert Willke erschienen am nächsten Morgen auf der ›Fidelitas‹.
Von den Kajütenaufbauten kam der Steward heran.
»Bitte?« fragte er.
»Zu Herrn Baumgart, s'il vous plaît.«
»Er ist erst in einer halben Stunde zu sprechen.«
»Dann warten wir.« Herbert Willke sah sich auf dem Deck um. »Wir setzen uns in irgendeine Ecke.«
»Wen darf ich melden, wenn Herr Baumgart fragen sollte?«
»Die Herren der Großhandelsfirma ›Transocean‹!«
Sie stellten sich an die Reling und blickten über den Kölner Hafen, über den winterlichen
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