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Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Titel: Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Malangré
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Mich faszinieren in
Sahagún die mächtigen viereckigen Türme aus Backstein, hoch aufragend über der
Capilla Major von San Tirso und San Lorenzo, mit ihren je anderen Galerien von
Bögen: romanisch, frühgotisch, im maurischen „Hufeisenstil“; letzteren
bewundern wir auch im Inneren von San Tirso.
    Dann kommen wir nach León, in
die alte Hauptstadt Asturiens. Wir wissen schon: römische Gründung ist ihr
Anfang, iberische Reste sind wohl noch älter.
    Aus der Fülle der Kunstschätze
greifen wir drei Zentren heraus: die Kathedrale Santa Maria de Regia, die
Colegiata de San Isidoro, den Convento de San Marcos. Selbst bei dieser
Beschränkung ist es unmöglich, auch nur annähernd zu beschreiben, welcher
Reichtum an diesen drei Plätzen zu sehen und zu bewundern ist.
    Bei der Kathedrale gibt es,
wenn man systematisch sein will, mehrere „Programme“: das Bauprogramm, das Plastikprogramm,
das Fensterprogramm. Ich möchte versuchen, an diesem „Dreifachprogramm“
klarzumachen, was mich in Santa Maria de Regia, der Kathedrale, so ganz
besonders bewegt hat.
    Zunächst das „Bauprogramm“: Bei
den großen Kathedralen Nordspaniens habe ich nirgendwo eine klarere Gliederung
gefunden als in León: Dreischiffigkeit fast ohne wuchernde Kapellen, Kreuzgang
im Norden, Sakristei und Oratorium südöstlich im Anschluß an die Chorkapellen.
Einfacher geht es kaum. Das betont auch Domke: „Sie ist so sinnfällig angelegt,
daß voreilige Geister leicht auf den Gedanken verfallen, ihre Eindeutigkeit mit
Vordergründigkeit zu verwechseln.“ 22 — Wir wollen hier nicht die zweifellos vorhandenen Parallelen zu Reims (Grundriß)
und Amiens (äußere bauliche Gestalt) aufzeigen, sondern den Rhythmus dieses
Kirchenbaus zu erfassen versuchen. — Ein viel zu früh verstorbener Freund, der
Aachener Dombaumeister Leo Hugot, betonte stets, daß eine der wichtigsten
Qualitäten eines Bauwerks die Stimmigkeit der Proportionen sei. In dieser
Stimmigkeit der Proportionen liegt die so ganz besondere Schönheit der
Kathedrale Santa Maria de Regia. Dieser Bau „stimmt“. Die Kirche ist 90 m lang,
die Türme sind wenig mehr als 60 m hoch. Die Breite der Kirche und die Höhe des
Mittelschiffs liegen bei 40 m. Hier sind also 90:60 und 60:40 jeweils wie 3:2.
Das sichert schon in den Hauptmaßen die Harmonie, welche man gewiß bei vielen
Unterteilungen wiederfinden wird. — Ganz besonders schön und für León typisch
ist die Westfassade: die Türme stehen mit Distanz rechts und links neben dem
dreischiffigen Langhaus, gewähren so dem Langhaus eine eigene Portalfront und
hohe Fassade, die sich durch gewaltige Strebepfeiler klar gegen die mächtigen
Türme abstützt. Eine große Rosette beherrscht die Mitte der Fassade.
Hauptschiff und Querschiff sind in der ganzen Bauanlage klar sichtbar. Das
Südportal zeigt den ebenfalls dreischiffigen Verlauf des Querschiffs mit drei
Portalen. Im Norden mündet das Querschiff unter dem älteren Portal der Kirche,
der Puerta del Dado, in den Kreuzgang. So einfach ist das. Oder doch nicht?
Wenn ich an die schönsten Werke der Kunst in Literatur, Musik, Malerei,
Plastik, Architektur denke, dann ist das Beste meist das Klare, scheinbar Einfache.
Und welche Freude, welche Beglückung, wenn man dann hinter dem „Einfachen“ das
Raffinement entdeckt, die gekonnte Form, das harmonische und doch gespannte
Spiel der Linien. Der Kathedralbau in León: Es wird verständlich, warum man ihm
nach dem Namen der Marienplastik an der Mittelsäule des Westportals den Titel
„Pulchra Leonina“, die Schöne von León, gegeben hat.
    Das „Plastikprogramm“: Wir
sehen in León zwei Portale mit der zentralen Figur der Maria: in der
Mittelsäule des schon genannten Hauptportals im Westen „Nuestra Señora la
Blanca“, unsere weiße Herrin, die Mutter Jesu mit dem Kind, zum gotischen
Adelskreis der „Schönen Marien“ gehörend. Über ihr im Tympanon Christus als
Weltenrichter. Dann Maria auch im Nordportal, der „Puerta del Dado“. Hier ist
das Thema des Tympanons wieder Christus, aber jetzt als Schöpfer und Herr der
Welt, die er im linken Arm trägt: Schöpfer, Richter — Anfang, Ende, Fortdauer,
Maria als unser Anwalt immer zugegen. An der Kathedrale von León befindet sich
noch eine Fülle plastischer Szenen: Heilsgeschichte der Bibel,
Heiligengeschichte und — legende der Nachfolge, Jakobus neben Petrus, auch
Franziskus als Jakobspilger. Mir persönlich macht der kleine Orgelspieler Trost
und Freude, der im

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