Auf verlorenem Posten
Hölle. Er hatte keinen Schlaf gefunden, seit vor neunundzwanzig Stunden einundsechzig befreundete Männer und Frauen verwundet oder getötet worden waren. Honor war sicher, daß er seitdem seine Kleidung nicht mehr gewechselt hatte.
Papadapolous schaute den NPA-Major an und nahm Haltung an, doch in seinen Augen stand ein zweifelnder Ausdruck. Der Marine hatte trotz seines rötlichbraunen Haares dunkle Hautfarbe und besaß flinke, wachsame Augen; er bewegte sich mit einem Selbstvertrauen, das an Anmaßung grenzte, und der geschmeidigen Kraft, die er dem anstrengenden Körperertüchtigungsprogramm des RMMC verdankte. Er bestand scheinbar aus Federstahl und Leder und war so gefährlich wie ein Riesenkodiak. Ganz genau, wie es das Plakat behauptet, dachte Honor sardonisch, doch trotz der abgekämpften und müden Erfahrung, die Isvarian ausstrahlte, wirkte er wie ein unerprobter Rekrut.
»Sie haben nach mir geschickt, Captain?« fragte er. »Allerdings. Setzen Sie sich, Major.« Honor deutete auf einen leeren Stuhl. Papadapolous setzte sich steif und schaute wachsam zwischen den Vorgesetzten hin und her.
»Haben Sie den Bericht gelesen, den ich Ihnen geschickt habe?« fragte Honor, und er nickte. »Gut. Ich habe Major Isvarian hierher gebeten, um Ihnen alle weiteren Hintergrundinformationen zu geben, die Sie benötigen.«
»Die ich wozu benötige, Ma’am?« fragte Papadaolous, als sie schwieg.
»Zum Entwurf eines Gegenplans, Major, für den Fall eines Angriffs von Medusianern mit Feuerwaffen auf die Enklaven des Deltas.«
»Aha?« Papadapolous zog die Stirne kurz kraus, dann sagte er mit einem Achselzucken: »Ich mache mich sofort daran, Ma’am, aber ich sehe nicht, wo das Problem liegen soll.«
Er lächelte, doch das Lächeln erstarb, als die Kommandantin ihn ausdruckslos anstarrte. Er warf Isvarian einen schnellen Blick zu und versteifte sich, denn die Miene des NPA-Majors war nicht im geringsten ausdruckslos. Seine blutunterlaufenen Augen sahen direkt durch den Marine hindurch mit etwas darin, das Papadapolous zu nahe an Verachtung war, als daß er sich behaglich dabei gefühlt hätte, und er wandte sich defensiv wieder zu Honor um.
»Ich fürchte, ich kann Ihre Zuversicht nicht ganz teilen, Major«, sagte sie gelassen. »Ich glaube, die Bedrohung könnte ein wenig ernster sein, als Sie annehmen.«
»Ma’am«, sagte Papadapolous zackig, »ich habe an Bord dieses Schiffes dreiundneunzig Marines. Ich habe für einen vollen Zug – fünfunddreißig Männer und Frauen – Panzeranzüge mit Pulsergewehren und schweren Waffen für den Rest der Kompanie. Wir werden mit jedem Haufen Stakser mit Steinschloßgewehren fertig.« Er verstummte mit zusammengepreßten Kiefern und fügte ein verspätetes ›Ma’am‹ hinzu.
»Scheiße.« Das einzelne einfache, verächtliche Wort kam nicht von Honor, sondern von Barney Isvarian, und Papadapolous errötete, als er sich düster an den älteren Mann wandte.
»Ich bitte um Verzeihung, Sir?« fragte er mit eiskalter Stimme.
»Ich sagte ›Scheiße‹«, antwortete Isvarian genauso kalt. »Sie werden dort hinuntergehen und gut aussehen und jedem Haufen Medusianer, auf den Sie treffen, die Hölle heiß machen, und das wird alles sein, was Sie tun, während andere Nomaden den Rest der Fremdweltler zum Frühstück fressen!«
Papadapolous’ gerötetes Gesicht erbleichte. Zu seiner Ehrenrettung mußte gesagt werden, daß die Hälfte seiner Verärgerung von dem Umstand herrührte, daß er hören mußte, wie in Gegenwart seiner Kommandantin solche Sprache benutzt wurde – doch nur die Hälfte. Wütend musterte er die zerknitterte Uniform des hageren, unrasierten Isvarian.
»Major, meine Leute sind Marines . Wenn Sie schon von Marines gehört haben, dann wissen Sie, daß wir unseren Job tun.«
Der abgehackte Tonfall machte nicht den Versuch, seine eigene Verachtung zu verbergen, und Honor wollte schon eine Hand heben, um einzuschreiten. Doch bevor sie sich bewegt hatte, war Isvarian schon aufgesprungen, und sie ließ die Hand in den Schoß zurücksinken, als Isvarian sich zu Papadapolous vorbeugte.
»Lassen Sie mich Ihnen was über Marines erzählen, Jungchen!« platzte es aus dem NPA-Offizier heraus. »Ich weiß alles über Sie, glauben Sie nur. Ich weiß, daß Sie tapfer, treu und ehrwürdig sind.« Der bittere Spott in seiner Stimme hätte glatt die Farbe von den Schotten beizen können. »Ich weiß, daß Sie mit einem Pulsergewehr einem Riesenkodiak auf zweitausend Meter
Weitere Kostenlose Bücher