Auf verlorenem Posten
Lotsenstation ein- und auslaufende Schiffe mit einer durchschnittlichen Rate von einem Schiff in drei Minuten ab, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Frachter, Erkundungsschiffe, Passagierschiffe, Kolonistenschiffe, Postschiffe, private Kuriere und Kriegsschiffe befreundeter Mächte. Das Verkehrsaufkommen war unglaublich. Die Vermeidung von Zusammenstößen erforderte von den Lotsen unermüdliche Aufmerksamkeit. Der Knoten war insgesamt eine Kugel mit einer Lichtsekunde Durchmesser, und obwohl das eine Menge Platz bedeutete, besaß jeder Terminus seinen eigenen Ein- und Ausreisevektor. Daß man auch wirklich dort ankam, wohin man wollte, erforderte, daß man sich sehr genau an die Vektoren hielt (besonders, weil die Knotenkontrollzentrale nicht wissen konnte, wer im nächsten Moment von welchem Terminus her eintreffen würde), und das wiederum bedeutete, daß der Verkehr auf eng begrenzte Zonen des Knotenvolumens beschränkt war.
Chief Killian hielt ohne weitere Befehle die Position in der Ausreisewarteschlange, und Honor setzte sich mit dem Maschinenraum in Verbindung, als die Fearless sich der Transitboje näherte. Commander Santos’ Bild erschien auf dem kleinen Combildschirm.
»Commander. Halten Sie sich bereit, auf mein Kommando auf Warshawski-Segel zu rekonfigurieren.«
»Aye, Ma’am. Halten uns bereit zu rekonfigurieren.« Honor nickte und beobachtete, wie der Frachter vor ihnen in der Warteschlange vorwärts trieb, einen Moment lang zu zögern schien und verschwand, als hätte er nie existiert. Die Ziffer im Manövrierdisplay sprang auf ›1‹. Honor wandte sich Webster zu und hob eine Augenbraue. Sie mußte nur Sekunden warten, bis er zurücknickte.
»Wir haben Transitfreigabe, Ma’am«, meldete er. »Sehr gut. Übermitteln Sie Manticore Control meinen Dank«, antwortete sie und sah wieder Chief Killian an. »Ruder, bringen Sie uns ‘rein.«
»Aye, aye, Ma’am.« Die Fearless schob sich mit nur zwanzig Gravos Beschleunigung vorwärts und paßte sich perfekt an die unsichtbaren Schienen des Knotens an. Honor beobachtete aufmerksam die Displays. Gott sei gedankt für die Existenz der Computer! Wenn sie die Annäherungen jedesmal selbst berechnen müßte, hätte sie sich wahrscheinlich schon vor Jahren die Kehle aufgeschlitzt. Computer kümmerten sich nicht darum, ob die Person, die sie benutzte, eine mathematische Idiotin war oder nicht. Alles, was sie benötigten, war eine korrekte Eingabe; außerdem warteten sie nicht wie gewisse Ausbilder an der Akademie, die Honor hätte beim Namen nennen können, mit übertrieben zur Schau gestellter Geduld darauf, diese Eingabe endlich zu bekommen.
Der Lichtcode der Fearless leuchtete hellgrün, als der Kreuzer die exakte Position erreichte, und Honor nickte Santos zu.
»Focksegel zum Transit setzen.«
»Aye, aye, Ma’am. Setzen Focksegel – jetzt.« Kein Beobachter hätte irgendeine Veränderung an dem Kreuzer feststellen können, doch die Displays verrieten Honor, daß der Impellerkeil der Fearless abrupt auf halbe Kraft gesetzt wurde. Die vorderen Emitter generierten nicht mehr ihren Teil der Normalraum-Verzerrungsbänder; statt dessen erzeugten sie nun eine kreisrunde Scheibe fokussierter Gravitation, die sich mehr als dreihundert Kilometer weit in alle Richtungen erstreckte, mit dem Rumpf des Kreuzers in der Mitte. Das Warshawski-Segel, das im Normalraum nutzlos war, stellte das Geheimnis des überlichtschnellen Reisens dar. Der Wurmlochknoten war nichts als ein fokussierter Trichter in den Hyperraum, dem Auge eines Hurrikans ähnlich, das auf ewig in Normalraumumgebung festgefroren war.
»Machen Sie sich bereit zum Setzen des Großsegels auf mein Zeichen«, befahl Honor, als die Fearless unter der Kraft der achteren Emitter vorwärts kroch. Eine neue Datenanzeige erwachte flackernd zum Leben, und Honor beobachtete, wie die Zahlen darin beständig nach oben kletterten, während das Focksegel tiefer und immer tiefer in den Wurmlochknoten tauchte. Sie hatten in alle Richtungen einen Spielraum von fünfzehn Sekunden, doch kein Kommandant wollte in einem Manöver wie diesem schlampig erscheinen, und …
Die flackernden Zahlen überschritten den Mindestwert. Das Focksegel zog nun hinreichend Energie aus den gequälten und auf ewig durch den Knoten rasenden Gravwellen, um Bewegungskraft zu gewinnen. Honor nickte Santos noch einmal knapp zu.
»Großsegel jetzt setzen«, sagte sie. »Großsegel wird gesetzt«, antwortete die Ingenieurin. Die Fearless ruckte,
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