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Auf verlorenem Posten

Auf verlorenem Posten

Titel: Auf verlorenem Posten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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gespürt, der dadurch zustande kam, daß die Gravitationsgeneratoren eines Quadranten von Hephaistos die Kapsel an den nächsten weiterreichten, doch Honor gehörte dazu. Vielleicht hatte sie ihn nicht bewußt wahrgenommen, doch dieser kurze Stoß gehörte zu einer Welt, die für sie realer geworden war als der tiefblaue Himmel und die kalten Winde ihrer Kindheit. Er war wie ihr eigener Herzschlag, einer der kleinen, unscheinbaren Stimuli, die ihr unmittelbar und unmißverständlich mitteilten, was um sie herum vorging.
    Sie betrachtete das Display der Röhrenkarte, um die Gedanken an um heißen Brei herumredende Admiräle und andere rätselhafte Dinge abzuschütteln. Sie verfolgte den blinkenden Cursor, der über die Karte huschte. Sie hob die Hand an die Brust, um noch einmal das Knistern ihrer Order zu hören, und hielt inne. Beinahe erstaunt stellte sie fest, daß sie nicht mehr auf die Karte sah, sondern die eigene Reflexion auf der polierten Wand der Kapsel betrachtete.
    Das Gesicht, das zurückschaute, hätte anders aussehen, hätte den gewaltigen Wechsel ihres Status widerspiegeln sollen. Es bestand trotzdem noch immer aus scharf voneinander abgegrenzten Flächen und Winkeln, wurde dominiert von einer geraden, patrizischen Nase (ihrer Meinung nach das einzige auch nur entfernt Patrizische an ihr) und zeigte nicht die geringste Spur von Make-up. Honor war (einmal) gesagt worden, ihr Gesicht besitze eine ›strenge Eleganz‹. Ob das stimmte, konnte sie nicht sagen, doch die Vorstellung war besser als das schreckliche: »Meine Güte, sieht sie nicht … äh, gesund aus!« Nicht, daß ›gesund‹ falsch gewesen wäre, so deprimierend es auch klingen mochte. Honor wirkte stramm und fit im Schwarz und Gold der Royal Manticoran Navy. Das verdankte sie der 1,35fachen T-Schwerkraft ihrer Heimatwelt und einem rigoros durchgehaltenen Körperertüchtigungsprogramm – und das, dachte sie kritisch, war auch schon das Beste, was sie von sich behaupten konnte.
    Die meisten weiblichen Offiziere der RMN hingen der gegenwärtigen planetaren Mode nach, das Haar lang zu tragen, oft kunstvoll frisiert und arrangiert. Honor hatte schon vor langer Zeit beschlossen, daß es keinen Sinn hatte, etwas aus sich machen zu wollen, das sie nicht war. Ihr Haarschnitt war praktisch und ohne Anspruch auf Eleganz: Kurzgeschnitten, damit es in Raumanzughelme paßte und unter Null-Ge nicht im Weg war, und wenn die zwei Zentimeter langen Strähnen auch die Neigung zeigten, sich zu kräuseln, dann waren sie zumindest weder blond noch rötlich, nicht einmal schwarz, sondern von einem überaus praktischen und vollkommen unspektakulären Dunkelbraun. Honors Augen waren noch dunkler als ihr Haar, und sie war immer der Meinung gewesen, der Anflug von Mandelform, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte, passe nicht in das starkknochige Gesicht, so als wäre er geradezu aus einer Laune heraus im nachhinein hinzugefügt worden. Die dunklen Augen betonten die Blässe ihres Gesichts, und das Kinn unter dem Mund mit den energischen Lippen war zu stark. Nein, entschied sie einmal mehr und mit dem gewohnten Stich des Bedauerns, es war ein anständiges, brauchbares Gesicht, aber es hatte keinen Sinn zu hoffen, irgend jemand würde es jemals als schön empfinden – zum Teufel damit.
    Wieder grinste sie. Sie spürte, wie das tiefempfundene Glücksgefühl die Sorge beiseite drängte, und ihr Spiegelbild grinste zurück. Es ließ sie aussehen wie ein Straßenkind, das sich an einer versteckten Tüte voller Süßigkeiten ergötzte, deshalb riß sie sich für den Rest der Fahrt zusammen und konzentrierte sich auf die Pflicht einer neuen Kommandantin, gelassen und kühl zu wirken, obwohl ihr das nicht leicht fiel. Es war schon eine Leistung, in ihrem Alter den Rang eines Commanders zu bekleiden, denn ungeachtet der stetigen Zunahme der Flottenstärke angesichts der havenitischen Bedrohung sorgte die Lebensverlängerung für lange Laufbahnen. Die Navy war trotz ihres Anwachsens mit Stabsoffizieren gut ausgestattet. Honor entstammte dem Freisassenstand, so daß ihr hochstehende Verwandte oder Freunde fehlten, die eine Karriere in der Navy hätten beschleunigen können. Sie hatte von Anfang an gewußt und es hingenommen, daß jene mit weniger Kompetenz, aber besseren Verwandten sie überrunden würden. Das war auch geschehen, aber geschafft hatte sie es trotzdem. Das Kommando über einen Kreuzer, der Traum jedes Offiziers, die oder der etwas taugte! Was machte es da

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