Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
wusste.
Rasch wechselte St. John das Thema. „Lady Isabel hat uns nach Townsend Park eingeladen, um ihre Skulpturen anzusehen.“
„Ah“, machte Rock und musterte Isabel. „Gut. Wollen wir gleich aufbrechen?“
Isabels Herz begann zu pochen, als sie sich vorstellte, wie diese beiden Männer ohne Vorwarnung in Minerva House auftauchten. „Nein!“, rief sie viel zu laut.
Die Männer sahen erst einander an, dann sie. Isabel lachte gekünstelt. „Ich muss im Dorf noch ganz viel erledigen. Und zu Hause auch. Und die Sammlung ist auch noch nicht zur Besichtigung bereit. Immerhin habe ich ja nicht damit gerechnet, Sie heute hier zu treffen. Sie waren schließlich nur ein Zeichen.“
Halt den Mund, Isabel. Du klingst, als hättest du den Verstand verloren.
St. John lächelte fein, und ihr Magen machte einen keineswegs unangenehmen Überschlag. „Und auf ein Zeichen waren Sie nicht vorbereitet.“
„Genau!“ Sie besann sich kurz. „Wie schön, dass Sie das verstehen.“
Er nickte. „Aber ja doch. Und jetzt haben Sie gerade viel zu tun.“
„So ist es.“ Sie ignorierte das belustigte Funkeln in seinen Augen, strich sich nervös übers Haar und hielt nach ihrem Hut Ausschau. Er war in einigen Metern Entfernung im Gras gelandet, nachdem er ihr bei der Wucht des Zusammenpralls vom Kopf geflogen war. Sie marschierte los, um ihn zu holen – soweit man mit einem schmerzenden Knöchel denn marschieren konnte. Als sie sich wieder umdrehte, starrten die beiden Männer ihr noch immer hinterher.
Wäre sie nicht so außer Fassung, hätte sie ihre entgeisterten Mienen amüsant gefunden.
So indes konnte sie es kaum erwarten, diesen beiden überaus ansehnlichen Vertretern ihrer Spezies zu entkommen. „Verstehen Sie, Lord Nicholas“, sagte sie, als sie wieder bei ihnen war, „ich kann Ihnen die Sammlung unmöglich heute zeigen. Aber morgen … Morgen klingt gut. Sagen wir um drei?“
Zustimmend neigte er den Kopf. „Dann also morgen.“
„Morgen Nachmittag“, wiederholte sie.
„Mir soll es recht sein.“
„Wunderbar. Ich … ich freue mich.“ Mit einem strahlenden Lächeln eilte Isabel davon und ließ die beiden sprachlos zurück.
Nach einer Weile drehte Rock sich zu Nick um, der ihr noch immer hinterherschaute. „Wir warten nicht bis morgen Nachmittag, oder?“
Nick schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Sie verbirgt etwas vor uns.“
Sein Freund nickte bedächtig. „Und das nicht sonderlich gut.“ Er sah ihr nach, wie sie noch immer leicht humpelnd über die Straße und in den nächstbesten Laden eilte.
„Das habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.“
Nick ließ Isabel nicht aus den Augen. „Was hast du seit Jahren nicht gesehen?“
„Das Gesicht des bulan .“
Einige lange Momente verstrichen, ehe Nick sich zu Rock umwandte.
„Einhundert Pfund, dass wir sie gefunden haben.“
Lachend schüttelte Rock den Kopf. „Auf diese Wette lasse ich mich nicht ein.“
4. KAPITEL
E inige Stunden später standen Nick und Rock in der weit geschwungenen Auffahrt von Townsend Park. Der Landsitz des Earl of Reddich war ein würdiger dreigeschossiger Bau mit hohen Bogenfenstern und einer Fassade, die von einer rühmlicheren Vergangenheit derer von Reddich kündete, als ihre derzeitige Situation vermuten ließe.
Über dem Haus lag eine Stille, die Nick aufhorchen ließ. Entweder handelte es sich nur um die übliche Stille eines verschlafenen Landsitzes, zu dem sich nur selten Besuch verirrte – oder aber es steckte mehr dahinter, was natürlich weitaus interessanter wäre. Dem wunderlichen Verhalten der Herrin von Townsend Park nach zu urteilen, tippte Nick auf Letzteres. Sollte sein Verdacht sich bestätigen, dürfte er hier finden, wonach er suchte.
Wenn er denn mal ins Haus gelassen würde.
Er und Rock standen, die Zügel in der Hand, am Fuß der Freitreppe und warteten darauf, dass ein Stallbursche oder Hausdiener endlich Notiz von ihrer Ankunft nehme, die immerhin schon eine kleine Weile zurücklag.
„Die halten uns hier zum Narren“, bemerkte Rock trocken und führte sein Pferd ein paar Schritte weiter, um sich seitlich an den Treppenbau zu lehnen. Der Rappe schnaubte vernehmlich. Er schien den Verdruss seines Herrn zu spüren und begann ungeduldig mit den Hufen zu scharren.
„Sie wollte nicht, dass wir heute kommen“, erwiderte Nick. „Wahrscheinlich sind die Diener nicht auf ihrem Posten, weil niemand mit uns gerechnet hat.“
Rock warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Du
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