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Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Titel: Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Maclean
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herumgeredet.
    „Nichts ist passiert“, entgegnete Isabel und tunkte den Pinsel in die Teerpaste.
    „Nichts.“
    „Genau, nichts. Er hat sich bereit erklärt, die Sammlung zu begutachten und zu schätzen. Dabei will ich ihn nicht stören. Desto eher er mit seiner Arbeit fertig ist, desto eher kann die Sammlung verkauft werden. Wenn alles gut geht, wird Minerva House in einem Monat ein neues Zuhause haben.“ Sie versuchte unbeschwert zu klingen, zuversichtlich.
    Schweigend legte Jane ein paar Ziegel zurück an ihren Platz. „Und Lord Nicholas?“, fragte sie schließlich.
    „Was soll mit ihm sein?“
    „Das frage ich dich.“
    „Mir wäre es lieber, wenn wir seiner Hilfe nicht bedürften“, wich Isabel aus, die sehr wohl verstanden hatte, worauf Jane hinauswollte. Eine starke Bö fegte just in diesem Augenblick über das Dach und ließ Isabels Hemdsärmel flattern wie sturmgepeitschte Segel. Sie stemmte sich gegen den Wind und wählte ihre nächsten Worte mit Bedacht. „Aber ich fürchte, uns bleibt keine andere Wahl.“
    „Das sehe ich anders, Isabel.“
    „Ich nicht.“
    Schweigend deckte Jane noch eine ganze Reihe Ziegel ein, dann drehte sie sich zu Isabel um. „Du kümmerst dich schon lange um uns. Du hast Minerva House zu dem gemacht, was es heute ist – eine Legende.“ Isabel hielt in ihrer Arbeit inne und erwiderte Janes kühlen grünen Blick. „Du darfst jedoch nicht zulassen, dass die Legende dich ganz vereinnahmt.“
    „Für mich ist es keine Legende, Jane. Es ist mein Leben.“
    „Aber du könntest ein ganz anderes Leben führen. Du bist die Tochter eines Earls.“
    „Eines Earls mit durchaus zweifelhafter Moral.“
    „Dann eben die Schwester eines Earls“, versuchte Jane es erneut. „Du könntest heiraten. Endlich das Leben führen, zu dem du bestimmt bist.“
    Das Leben, zu dem sie bestimmt war. Wie leicht sich das sagte. Als ob es so einfach wäre! Aber vielleicht war es das ja. Andere hochwohlgeborene Mädchen schienen kein Problem damit zu haben, dem vorgegebenen Weg zu folgen.
    Andere Mädchen hatten aber auch nicht ihren Vater gehabt. Oder ihre Mutter.
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Das hier ist das Leben, zu dem ich bestimmt bin. Keine noch so gute Partie, keine Teegesellschaften mit den feinen Damen des ton hätten mich davon abbringen können. Und sieh nur, wohin es geführt hat. Sieh dir an, wie es dein Leben verändert hat. Und das der anderen.“
    „Aber du darfst dich nicht für uns aufopfern. Sagst du nicht selbst immer, dass unser Glück und unser Leben wichtiger sind als alle Opfer, die wir bringen mussten, ehe wir hierherkamen?“
    „Ich erbringe das Opfer, damit es euch erspart bleibt.“
    „Das stimmt nicht, das weißt du ganz genau.“
    Gut gemeinte Worte, die ihr Ziel nicht verfehlten. Isabel betrachtete ihre Butlerin. Der frische Wind hatte ihre Wangen gerötet, ihr braunes Haar sah zerzaust unter der Kappe hervor. Jane war die Erste gewesen, die ihren Weg zu Isabel gefunden hatte: ein Freudenmädchen, das mit Mühe und Not der Gewalt eines trunkenen Kunden entkommen und aus London geflüchtet war, um in Schottland einen neuen Anfang zu wagen. Bis Yorkshire hatte sie es geschafft, als ihr das Geld ausging – eine Handvoll gestohlener Münzen; zu wenig, um davon zu leben, doch ausreichend, um wegen Diebstahls für den Rest ihres Lebens ins Gefängnis zu kommen. Als sie für die Fahrt nicht länger zahlen konnte, hatte man sie mit nichts als ihren Kleidern am Leib am Straßenrand zurückgelassen. Einen Tag, nachdem auch die letzten Bediensteten ihren Dienst quittiert hatten, hatte Isabel die junge Frau schlafend in den Stallungen gefunden.
    Isabel war damals siebzehn und mit dem kaum dreijährigen James und ihrer Mutter, die dem Tode nah war, ganz allein auf Townsend Park gewesen. Ein einziger Blick auf die völlig entkräftete Jane hatte ihr genügt, um die Verzweiflung zu erahnen, die das Mädchen so weit getrieben hatte.
    Nicht aus reiner Menschenliebe hatte Isabel Jane aufgenommen, sondern aus schierer Panik. Die Countess schwand dahin, halb von Sinnen vor Trauer und Verzweiflung, die Dienstboten waren fort und James wollte geliebt und großgezogen werden. Isabel hatte mit leeren Händen dagestanden und weder aus noch ein gewusst. Sie hatte Jane Arbeit angeboten und in ihr die beste und treueste Dienerin, Freundin und Vertraute gefunden, die man sich nur wünschen konnte.
    Jane hatte als Einzige die letzten Tage der Countess miterlebt, als diese

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