Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
gefährliche Geheimnisse schlummerten unter der Oberfläche.
Das ließ sie hoffen, nach all den Jahren jemanden gefunden zu haben, der sie verstand. Der ihr vielleicht sogar helfen konnte.
Wenn sie ihm denn vertraute.
Vielleicht sollte sie es einfach darauf ankommen lassen.
Vorausgesetzt, er wollte ihr überhaupt noch helfen.
„Ich fürchte, ihn sehr verärgert zu haben.“
„Nick ist nicht nachtragend“, versicherte ihr Rock mit einem ermutigenden Lächeln.
„Gut, ich werde ihm alles erzählen.“ Die anderen warteten gespannt ab, niemand sagte ein Wort. „Euch ist aber klar, dass es dann kein Zurück mehr gibt? Einiges könnte sich ändern. Aber es muss sein. Für Minerva House. Für James. Für die Earlswürde.“
Wenn sie es nur oft genug sagte, würde sie es vielleicht glauben.
Lara griff nach Isabels Hand. „Er wird uns helfen“, bekräftigte sie.
Eine Weile sah Isabel ihre Cousine schweigend an, dann wandte sie sich an Rock, der sie so aufmerksam beobachtete, als wolle er jede Untiefe ihres Charakters ergründen. Schließlich nickte er und meinte: „Sie sind genau die Frau, die er braucht.“
Sie errötete heftig. „Oh … nein, ich will doch nicht …“
„Mag sein“, erwiderte er schmunzelnd, „aber Sie sind es trotzdem.“
Auf einmal wurde ihr wieder ganz flau zumute, aber sie konnte jetzt keinen Rückzieher machen. Also straffte sie die Schultern und marschierte zur Tür, um sich Lord Nicholas zu stellen.
„Isabel?“, rief Gwen ihr nach. Isabel drehte sich um. „Zeige Interesse an seiner Arbeit. Gentlemen mögen Damen, die ihre Interessen teilen!“
Isabel lachte. „Schon wieder Perlen und Pelissen ?“
Gwen grinste. „Hat doch bislang ganz gut funktioniert.“
„Es hätte nicht besser laufen können“, erwiderte Isabel trocken.
„Das würde es, wenn du die Lektionen genauer befolgen würdest. Wobei mir einfällt: Scheue dich nicht, ihm nah zu sein!“
Isabel verdrehte die Augen. „Dann will ich mal.“
„Viel Glück!“, wünschte Gwen.
Isabel eilte davon. Viel hilfreicher hätte sie es gefunden, wenn Perlen und Pelissen ihr zehn Lektionen an die Hand gegeben hätte, wie man sich formvollendet bei einem lukrativen Lord entschuldigte.
Aber sie musste es wieder einmal allein schaffen.
12. KAPITEL
Fünfte Lektion
Zeigen Sie Interesse an den Interessen Ihres Lords.
Sowie Sie sich die Aufmerksamkeit Ihres Lords gesichert haben, ist es an der Zeit, sich ihm als umsichtige und unerschütterliche Begleiterin zu empfehlen. Ein Mann, der etwas auf sich hält, geht naturgemäß mannhaften Interessen nach, doch seien Sie unbesorgt – auch als Dame finden sich Mittel und Wege, diese Interessen mit ihm zu teilen.
Ist Ihr Lord ein Pferdenarr? Dann könnten Sie ihn doch mit einer bestickten Satteldecke erfreuen!
Und scheuen Sie sich nicht, liebe Leserin, ihm nah zu sein!
Perlen und Pelissen
Juni 1823
I sabel stand an der Tür des Skulpturensaals und sah Nick bei der Arbeit zu.
Der Raum lag in grünliches Gewitterlicht getaucht, und noch immer heulte der Wind ums Haus, prasselte der Regen an die Fenster, weshalb er sie wohl nicht hatte kommen hören und sie ihn unbemerkt beobachten konnte. Ob es am Zwielicht lag, an seiner angespannten Körperhaltung oder den Statuen, die ihn rings umgaben, vermochte sie nicht zu sagen, aber wie er da über seine Papiere gebeugt stand und sich Notizen machte, fand sie ihn noch beeindruckender als sonst.
Noch nie war sie einem Mann wie ihm begegnet. Und dieser Raum war regelrecht dazu angetan, seine große, stattliche Gestalt mit den marmornen Skulpturen zu vergleichen, jenen großartigen antiken Huldigungen der perfekten Form.
Doch er stellte sie alle in den Schatten mit seinen breiten Schultern, den langen Beinen, der geballten Muskelkraft. Eine dunkle Haarsträhne fiel ihm in die Stirn, verfing sich an der silbernen Fassung seiner Augengläser. Sie sah ihn zum ersten Mal mit Brille. Für diesen imposanten Mann mochte es unpassend wirken, doch dieser Widerspruch machte ihn nur noch verführerischer.
Sie gebot ihren Gedanken Einhalt. Seit wann machte eine Brille verführerisch?
Und seit wann war dieser Mann überhaupt so verführerisch ?
Sie wurde nervös, wenn sie daran dachte, was kommen könnte. Er brachte sie völlig durcheinander. In einem Augenblick wollte sie, dass er verschwand, im nächsten wünschte sie, dass er blieb, und wollte ihn gar nie mehr gehen lassen.
Ein leiser Seufzer entfuhr ihr, und obwohl er ihn kaum gehört
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