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Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Titel: Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Maclean
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haben konnte, schien er doch ihre Anwesenheit zu spüren und wandte sich nach ihr um.
    Reglos erwiderte er ihren Blick, wartete ab, was sie tun würde. Unschlüssig stand sie da, konnte sich indes auch nicht von ihm losreißen.
    Dann schließlich gab sie sich einen Ruck, trat ein und schloss die Tür hinter sich.
    Als sie zu ihm kam, nahm er die Brille ab und legte sie auf den Sockel einer aus schwarzem Marmor gehauenen Figur, lehnte sich daran und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Zeige Interesse an seiner Arbeit .
    Nun, das war gewiss nicht zu viel verlangt.
    Dicht neben ihm blieb sie stehen und sah zu der Statue auf. „Eine besonders schöne Skulptur. Haben Sie sie schon bestimmt?“
    Ohne ihrem Blick zu folgen erwiderte er: „Ein Apoll.“
    „Aha.“ Sie räusperte sich. „Und warum sind Sie sich da so sicher?“
    „Weil ich ein Antikenkenner bin.“
    Einfach machte er es ihr nicht gerade.
    „Verstehe. Wahrscheinlich bin ich Ihnen jetzt auch eine Antwort schuldig.“
    Er wandte sich wieder seinen Aufzeichnungen zu. „Ehrlich gesagt bin ich dieses Spiels langsam müde.“
    „Nick.“ Seinen Namen von ihren Lippen zu hören überraschte sie beide. Gespannt blickte er auf. Und wartete. Sie richtete den Blick auf seinen Hals, wo der weiße Kragen seines Hemdes auf gebräunte Haut stieß. „Es tut mir leid.“
    Nichts war zu hören außer seinem Atem, der ruhig und stetig kam, und eben diese Ruhe bestärkte sie in ihrem Entschluss. „Ich habe noch nie jemandem von Minerva House erzählt.“ Als sie seinen fragenden Blick bemerkte, fügte sie hinzu: „Die Mädchen haben es so genannt.“
    Sie hielt inne, da er gewiss Fragen hatte, doch als keine kamen, sprach sie einfach weiter – noch immer an seinen Hals gerichtet, denn sie schaffte es einfach nicht, seinen Blick zu erwidern, wollte den ihren aber auch nicht ganz abwenden. „Wir hatten nichts. Unser Vater hatte uns im Stich gelassen, und meine Mutter … Nun, ihr ging es immer schlechter. Sie hat ihr Bett nicht mehr verlassen, kaum noch etwas gegessen und wollte uns oft tagelang nicht sehen. Und wenn doch …“ Sie schluckte. Nein, das konnte sie ihm nicht erzählen. „Die Bediensteten bekamen keinen Lohn mehr. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie anfingen, uns zu bestehlen. Und dann, eines Tages, waren sie verschwunden.“
    „Wie alt waren Sie da?“
    „Siebzehn“, sagte sie, tief in Gedanken versunken. „Jane war die Erste. Sie kam, weil sie Arbeit brauchte. Ein Dach über dem Kopf. Und ich brauchte jemanden, der mir half, das Anwesen am Laufen zu halten. Sie war klug, kräftig, konnte anpacken. Und sie kannte andere, die sich in einer ähnlichen Lage befanden wie sie selbst. Binnen weniger Monate lebten ein halbes Dutzend Mädchen hier – alle von ihnen auf der Flucht: vor Armut, ihrer Familie, Männern. Wahrscheinlich versuchte auch ich, etwas zu entfliehen.
    Ich nahm jede auf, die bereit war zu arbeiten“, fuhr sie fort. „Ohne die Mädchen hätte ich es nicht geschafft. Sie kümmerten sich um das Vieh, misteten Ställe aus, bestellten die Felder. Sie arbeiteten ebenso hart wie die Männer, die wir davor hatten. Wenn nicht gar härter.“
    „Und niemand hat davon erfahren.“
    Nun sah sie ihn doch an. „Es geheim zu halten war nicht schwer. Mein Vater war ja nie da. Wenn er eine Glückssträhne hatte, bestritt er seinen Lebensunterhalt von dem, was er beim Spiel gewann; wenn es nicht gut für ihn lief, versetzte er das Inventar seines Stadthauses. Und irgendwann dann auch das Haus.“ Sie lachte bitter.
    „Und Ihre Mutter?“
    Widerwillig schüttelte sie den Kopf. „Nachdem er uns verlassen hatte, war sie kaum wiederzuerkennen. Kurz nachdem Jane nach Townsend Park gekommen war, ist sie gestorben.“
    Da streckte er die Arme nach ihr aus.
    Und sie konnte nicht anders – wenngleich sie wusste, dass es falsch war und sie ihm nicht gestatten sollte, sie in den Armen zu halten. Aber wie konnte sie seiner tröstlichen Wärme widerstehen, seinen starken Armen, die sie so sicher umfingen? Wann war sie das letzte Mal gehalten und getröstet worden?
    „Warum tun Sie das alles?“
    Sie schmiegte ihre Wange an seinen Rock. „Weil sie mich brauchen.“
    Und weil sie mich vergessen lassen, wie allein ich bin .
    Er murmelte Ermutigendes, und das bestärkte sie fortzufahren. „Viele von ihnen haben jetzt ein Auskommen als Näherinnen oder Gouvernanten, sind Ehefrauen und Mütter. Als sie hierherkamen, hatten sie nichts.“
    „Sie haben

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