Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
mit Geld umgehen, wenn welches da ist. Außerdem kann sie reiten. Sie sitzt so sicher im Sattel wie ein Mann. Wenn es aufhört zu regnen, können Sie vielleicht mal zusammen ausreiten.“
„Sehr gern“, sagte Nick und stellte erstaunt fest, dass es der Wahrheit entsprach.
„Und bei Scharaden ist sie unschlagbar.“
„Eine Eigenschaft, die man nicht unterschätzen sollte.“
„Sie hat viele gute Eigenschaften.“ James neigte nachdenklich den Kopf. „Sie ist nicht hässlich.“
Nick musste lächeln. „Nein, das ist sie nicht. Aber ich würde dir raten, ihr das lieber nicht in eben diesen Worten zu sagen.“
„Mach ich nicht. Aber vielleicht sollten Sie es ihr sagen. Mädchen hören gerne Komplimente.“
„Wenn du das jetzt schon weißt, dürften die jungen Damen später ihre helle Freude an dir haben“, meinte Nick. „Einverstanden. Ich werde ihr sagen, dass sie nicht hässlich ist.“
Bei einem Blick in den Spiegel bemerkte er, dass sein junger Freund ihn aufmerksam beobachtete.
„Ich glaube, Sie würden auch ein guter Ehemann sein.“
Nick entschied sich für die Wahrheit. „Da wäre ich mir nicht so sicher.“
James runzelte die Stirn. „Und warum nicht?“
Wie sollte er dem Jungen das erklären?
„Weil Sie keinen Titel haben?“
„Nein. Ich glaube nicht, dass ein Titel einen guten Ehemann aus einem macht.“
„Ich auch nicht. Mein Vater war kein guter Ehemann.“
Nick nickte verständnisvoll. „Das tut mir leid.“
James tat es mit einem Achselzucken ab. „Ich kann mich sowieso nicht an ihn erinnern.“
„Würdest du es gern?“
Darüber dachte der Junge eine Weile nach. „Manchmal.“
Als er dessen Antwort hörte, so schlicht und aufrichtig, musste Nick erst einmal tief Luft holen. Er wusste, wie es sich anfühlte, ein zehnjähriger Junge zu sein und niemanden zu haben, der einem mit Rat und Tat zur Seite stand. Und er verstand den Widerstreit der Gefühle, den James angesichts des Mannes empfand, den alle Welt seinen Vater nannte, der für ihn jedoch für immer ein Unbekannter sein würde. „Was würdest du zu ihm sagen, wenn du mit ihm sprechen könntest?“
James schüttelte den Kopf. „Kann ich doch nicht. Er ist tot.“
„Nur mal angenommen. Was würdest du sagen?“
Lange schaute James zum Fenster hinaus. „Ich würde ihm sagen, dass ich einmal ein viel besserer Earl werde als er.“
Nick nickte bedächtig. „Sehr weise gesprochen.“
James schwieg und schien über seine Worte nachzudenken, ehe er hinzufügte: „Ich würde ihn auch fragen, warum er uns nicht haben wollte.“
Die Worte des Jungen erschütterten Nick. Noch Jahre, nachdem seine Mutter ihn verlassen hatte, hatte ihn diese Frage gequält. „Ich glaube nicht, dass er euch nicht haben wollte.“
James sah ihn mit seinen großen braunen Augen an, der Blick klar und fest. „Aber wissen tun Sie es nicht.“
„Nein, das tue ich nicht.“ Nick war sich der Bedeutung bewusst, die dieser ernsthafte Junge seinen Worten beimaß. „Aber ich an seiner Stelle würde dich auf jeden Fall gern haben.“
„Und Isabel?“
„Und Isabel“, bekräftigte Nick und erschrak so sehr über seine Worte – zumal sie der Wahrheit entsprachen –, dass er sich abwandte und sich abermals das Haar kämmte, um nur irgendetwas zu tun zu haben.
James folgte einer jeden seiner Bewegungen. „Das heißt also, Sie würden sie heiraten?“
Ein Lächeln huschte über Nicks Lippen. Die Beharrlichkeit hatte der junge Earl ganz eindeutig von seiner Schwester. Schließlich legte er den Kamm beiseite und schaute James an, der so hoffnungsfroh dreinsah, als wären alle Probleme gelöst, wenn Nick seiner Schwester einen Antrag machte.
Was James nicht wissen konnte, war, dass seine Schwester nichts mehr von Nick würde wissen wollte, wenn sie die Wahrheit über ihn herausfand.
Kein schöner Gedanke, der nur wieder Schuldgefühle weckte. „Ich glaube nicht, dass es Isabel gefallen würde, wie wir über ihren Kopf hinweg Heiratspläne für sie schmieden.“
„Aber ich bin jetzt der Earl. So etwas wird doch immer unter Männern ausgemacht.“
Nick lachte schallend. „Da ich selbst eine Schwester habe, die fast so halsstarrig ist wie deine, rate ich dir von Mann zu Mann: Sag so etwas nie wieder, wenn dir dein Leben lieb ist.“
James seufzte. „Also, wenn ich wählen müsste, würde ich mich für Sie entscheiden.“
„Ich fühle mich geschmeichelt“, meinte Nick und hob fragend eine Braue. „Steht denn ein anderer
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