Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
London zu gehen und mich von ihm verheiraten lassen.“
„Wie alt waren Sie da?“ Seine Stimme klang so kalt, dass es Isabel fröstelte. Eine dunkle Ahnung befiel sie. Was, wenn er sie ebenso verurteilte wie ihre Mutter?
„Siebzehn.“
„Und Sie haben sich geweigert.“
Tränen schnürten ihr die Kehle zu, und sie nickte stumm. „Ich wollte nicht … wollte nicht so leben wie meine Mutter“, fuhr sie schließlich fort. „Ich wollte nicht mein Leben für einen Mann hergeben, der mich nicht liebt … nur ein halber Mensch sein. Ich habe mich geweigert, und er ist allein nach London gefahren. Er ist nie zurückgekehrt. Meine Mutter … sie ist bald darauf gestorben. Sie hat mir die Schuld dafür gegeben, dass er uns verlassen hat.“
Er schwieg, reglos.
Sie hätte es ihm nicht erzählen sollen. „Es tut mir leid, Sie enttäuscht zu haben.“
Als sie ihn scharf Luft holen hörte, blickte sie verstohlen auf.
Er umfasste ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. In seinen Augen war so viel Gefühl, so viel Leidenschaft, dass es ihr den Atem nahm.
„Ich bin nicht enttäuscht, Liebste“, flüsterte er so leise, dass sie seine Worte mehr spürte als hörte. „Ich bin wütend.“ Mit beiden Händen umfasste er ihr Gesicht, drängte sie etwas weiter ins Dunkel, wo sie vor den Blicken der anderen geschützt waren. Sie spürte, dass seine Finger zitterten. „Ich wünschte, ich wäre da gewesen. Ich wünschte, ich hätte …“
Als sie die Augen schloss, verstummte er.
Ich wünschte auch, du wärst da gewesen .
Er strich mit den Fingern über ihren Hals, legte seine Hand sanft dorthin, wo ihr Puls wie wild hämmerte.
Sie wollte nicht mehr an die Vergangenheit denken. Nicht jetzt. Nicht, wenn er ihr so nahe war.
„Ich wünschte, Sie würden mich küssen.“
Ihr ehrliches Eingeständnis überraschte sie beide.
Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern. „Ah, Isabel, immer … wenn wir nur woanders wären, nicht hier …“
„Ich weiß“, erwiderte sie leise.
„Weißt du es wirklich? Weißt du, wie sehr ich dich will?“
Sie brachte es nicht über sich, ihn anzusehen. „Ja“, flüsterte sie.
„Woher weißt du es?“, beharrte er und strich mit dem Daumen über ihr Handgelenk, betörte sie mit dieser Berührung, bis ihr das Blut in den Ohren rauschte.
Seine geflüsterten Worte, so sinnlich und lockend, ermutigten sie aufzusehen. Seine Augen schimmerten dunkel, und sie wusste genau, was er dachte. „Weil ich es ebenso will.“
Er stieß ein befriedigtes Knurren aus, einen tiefen, kehligen Laut, der Isabel mit solcher Lust erfüllte, dass sie sich rasch abwenden wollte, doch er hielt ihr Kinn mit leichter Hand und ließ sie nicht entkommen. „Nein, meine Schöne. Sieh mich an.“
Wie konnte sie sich seinem so dringlichen Wunsch widersetzen?
„Ich bin nicht vollkommen. Ich kann dir nicht versprechen, niemals etwas zu tun, das dich verletzen könnte.“ Er hielt kurz inne. „Aber ich werde alles mir Mögliche tun, dich und James und die Mädchen zu beschützen.“
Mit angehaltenem Atem harrte sie seiner nächsten Worte.
„Ich finde, du solltest den Plan deines Bruders noch einmal bedenken.“
14. KAPITEL
Sechste Lektion
Wenn Sie sich seine Aufmerksamkeit gesichert haben, bleiben Sie am Ball.
Das Erlegen eines Lords bedarf der Beharrlichkeit, liebe Leserin! Wer mutlos ist oder es an Entschlossenheit mangeln lässt, gelangt nicht zum Ziel. Sowie Sie sich Ihren edlen Ritter ausgeschaut haben und er in Ihnen seine holde Maid erkannt hat, gilt es mit stetem Tropfen den Stein zu höhlen. Widerstehen Sie der Versuchung des Müßiggangs. Noch ist es zu früh, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen!
Vergessen Sie nie, dass die letzten Züge einer Schlacht stets über Sieg oder Niederlage entscheiden. Es braucht Beharrlichkeit, Entschlossenheit und Ausdauer!
Perlen und Pelissen
Juni 1823
I sabel saß in der großen Kupferwanne und nahm ein Bad. Im heißen Dampf hatte ihre Haut sich gerötet, ihre Locken sich gekräuselt. Gedankenverloren hob sie eine Hand aus dem Wasser und betrachtete die schrumpeligen Fingerkuppen. „Als wunderschön würde er mich beschreiben, hat er gesagt.“
Lara, die auf Isabels Bett saß, strahlte sie an. „Und er will dich heiraten!“
Die Worte machten Isabel nervös. „Nein, er hat nur gesagt, ich solle James’ Plan noch einmal bedenken.“
„Aber damit war ja gemeint, ihn zu heiraten!“
„Schon, aber das heißt noch lange nicht, dass er mich heiraten
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