AUFBRECHEN! - Warum Wir Eine Exzellenzgesellschaft Werden Muessen
Mail-Programm Lotus aus. Nach ein paar Tagen bekomme ich Post aus Budapest. Das Zeugnis ist sauber ausformuliert und kommt in drei Ausfertigungen. Ich unterschreibe alle drei, behalte eines für mich, eines schicke ich an den Mitarbeiter, eines nach Budapest zur Archivierung zurück – die Freiumschläge dafür liegen adressiert dabei.
Neulich bekam ich eine nett mahnende Mail, dass ich eine Reise nicht korrekt abgerechnet hätte. Der Mehrwertsteuersatz für eine S-Bahnfahrkarte sei falsch eingegeben. Die Mail war von einem IBM -Kollegen aus Vietnam. Ich stutzte, las alles noch einmal: ganz normales gutes Deutsch.
Immer mehr lebe ich in einem »globally integrated enterprise«, einem global integrierten Unternehmen IBM . Das ist normal geworden. Noch ein Beispiel:
Das Telefon klingelt. Ein Deutscher von der UN in Bangkok. »Kann jemand von IBM hier nach Bangkok kommen und die neue Cloud Technology erklären?« – »Gibt es bei Ihnen keine IBM ?« – »Doch, ich kann das Hochhaus von hier aus sehen.« – »Sekunde, ich gebe Ihnen die Telefonnummer des Chief Innovation Technologist in Thailand, oder zahlen Sie mir einen Flug, damit ich selbst komme?« Man war dann mit meinem Kollegen überaus zufrieden …
Ich will sagen: Die Zusammenarbeit klappt jetzt. Punkt. Die Systeme oder Prozesse haben manchmal noch »room for improvement« oder auf Deutsch Macken, aber das hat wenig damit zu tun, dass die Leistungen genauso gut in großer Ferne erbracht werden. Die Evolution der Systeme gestaltet sich bestimmt schwieriger als die breitflächige Weiterbildung von Mitarbeitern in Brasilien, Russland, Indien und China, in den sogenannten BRIC -Staaten (die Anfangsbuchstaben!). IBM hat heute laut letztem Geschäftsbericht etwa zwanzig Prozent Umsatzanteil in den »emerging countries« (in den wirtschaftlich aufstrebenden Ländern). Dort steigt der Umsatz trotz Krise noch immer, also wird dieser Prozentanteil schnell wachsen. In der IBM Indien arbeiten derzeit mehr als 70000 Mitarbeiter, die alle in den letzten Jahren eingestellt und ausgebildet worden sind. Dafür wurden in Europa und in den USA nicht so arg viele Einstellungen getätigt.
In Indien und China brauchen noch fast alle Bürger ein Haus, ein Auto und einen Garten. Die Verkehrswege, Energieleitungen, Häfen und Städte müssen neu konzipiert werden. Indien und China kurbeln die Wirtschaft mit immensen Staatsprogrammen an. Der gerade von China überholte Exportweltmeister Deutschland hat die allerbesten Chancen, die Spezialmaschinen für den Aufbau der Infrastrukturen zu liefern. Dafür liefern uns diese Länder eben auch Dienstleistungen.
An den Stammtischen tobt seit Langem die Diskussion, ob die Globalisierung uns nützt oder die anderen bevorteilt. Die Arbeitskräfte (in der Rolle der Weber) finden, es schade ihnen selbst. Die Unternehmer (wie die Webstuhlbesitzer) glauben, dass die neue Technologie per Saldo allen nützt.
Die Wahrheit ist wohl ganz simpel die, dass eine wirklich breit zu nutzende neue Technologie erst überhaupt allen schadet, weil sie viel zu viel Altes abschafft und dadurch einen Wirtschaftsknick auslöst. Denn zunächst einmal kosten die Veränderung und der »Neubau« der Welt viel Geld und erfordern eine große Umstellung. Erst einige Jahre später nützt die Technologie allen, die es sich in der neuen Welt gut einrichten konnten. Aber dieses »Sich Einrichten« in der globalisierten Welt bleibt uns nicht erspart. Wenn der Trecker kommt, gibt es keine Pferde mehr.
(Wenn die Unternehmer wüssten, dass jede Infrastrukturrevolution allen zuerst schadet, weil es eine große Krise gibt, würden sie bei radikalen Innovationen weniger gierig nach vorn preschen. Sie glauben, das Geld schon in den Händen zu haben, wenn sie es nur sehen können. »Der Erste macht die Milliarden!«, rufen sie und laufen erst einmal in ein tiefes Tal. Einige machen ja auch wirklich Milliarden, aber der Schaden ist am Anfang viel größer als der Profit. Denken Sie daran, dass die Rettung einer einzigen Bank mehr kostet, als Amazon an der Börse wert ist: 33 Mrd. Dollar.)
Ich plädiere dafür, das Weinen zu lassen. Ich rate davon ab, das Sterben mit Subventionen länger als nötig zu verzögern (etwa den alten Dampflok-Kohleheizer auf der Elektrolok weiterzubeschäftigen). Zu viele Subventionen halten das Denken in der Vergangenheit fest.
SSME – die neue Effizienzwissenschaft
Seit einiger Zeit wird auf Kongressen laut über eine eigene Wissenschaft
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