Aufbruch zu den Sternen - Roman
bin ich wohl auch so scharf darauf, die führenden Wissenschaftler kennenzulernen und ihre Meinungen zu hören. Danach werde ich vielleicht in der Lage sein, ein Urteil zu fällen – und es ist nun einmal meine Aufgabe, Urteile zu fällen.
Später. Selbstverständlich ist das meine Aufgabe. Man braucht nur an Männer wie Gibbon und Toynbee zu denken. Solange ein Historiker keine Schlussfolgerungen zieht (ob richtige oder falsche), ist er nur ein Buchhalter.
Noch später. Wie konnte ich das nur vergessen? Heute Abend fuhr ich in einem der neuen Turbinenbusse bis Oxford Circus. Sie laufen fast geräuschlos, aber wenn man aufmerksam hinhört, singen sie sich selber in einem leisen, außergewöhnlich hohen Sopran etwas vor. Die Londoner sind sehr stolz darauf; es sind die ersten Busse dieser Art in der ganzen Welt. Ich verstehe nur nicht, dass man zur Entwicklung eines einfachen Busses fast ebenso lange gebraucht hat wie zur Entwicklung eines Weltraumschiffes, aber so soll es sein. Hat, glaube ich, etwas mit technischer Ökonomie zu tun.
Ich ging zu Fuß weiter, und als ich aus Bond Street herauskam, erblickte ich eine vergoldete Kutsche, die von Pferden gezogen wurde und aussah wie aus einem Roman von Dickens. Es war der Lieferwagen irgendeines Schneiders, glaube ich, und darauf stand in schwungvollen Lettern: ›Gegr. 1768‹.
Mit derartigen Dingen bringen die Briten den Ausländer immer wieder außer Fassung. McAndrews würde natürlich sagen, dass die Engländer und nicht die Briten verrückt seien – aber ich lehne es ab, diese sehr feine Unterscheidung zu machen.«
VII
»Sie verübeln es mir sicherlich nicht, wenn ich Sie jetzt allein lasse«, sagte Matthews entschuldigend, »der Film ist zwar sehr gut, aber ich würde einfach Schreikrämpfe kriegen, wenn ich ihn mir noch einmal ansehen müsste. Grob geschätzt, habe ich ihn schon mindestens fünfzigmal über mich ergehen lassen müssen.«
»Schon gut«, sagte Dirk lachend aus den Tiefen seines Sitzes in dem kleinen Vorführsaal. »Es ist das erste Mal, dass ich als einziger Zuschauer in einem Film sitze – ein ganz neues Erlebnis für mich.«
»Schön. Ich finde mich zum Schluss der Vorstellung dann wieder ein. Falls Sie den einen oder anderen Teil zweimal sehen wollen, brauchen Sie dem Vorführer nur Bescheid zu sagen.«
Dirk lehnte sich in seinem Sitz zurück. Der Sitz war, wie er feststellte, nicht ganz so bequem, dass man sich völlig entspannen und das Leben von der leichtesten Seite nehmen konnte. Das zeigte indes nur, dass man überlegt gehandelt hatte, da dieses Kino mehr der Belehrung als der Unterhaltung diente.
Der Titel mit ein paar kurzen Angaben wurde auf der Leinwand sichtbar.
DER WEG INS ALL
Technische Beratung und besondere Effekte
durch Interplanetarium
Hergestellt durch Eagle-Lion
Die Leinwand war dunkel; dann erschien in ihrer Mitte ein schmaler Streifen Sternenlicht, der sich langsam verbreiterte, und Dirk merkte, dass er unter den sich öffnenden Halbkugeln irgendeines großen Observatoriums stand. Das Sternenfeld gewann an Ausdehnung; er bewegte sich darauf zu.
»Seit zweitausend Jahren«, sagte eine ruhige Stimme, »haben die Menschen von Fahrten nach anderen Welten geträumt. Es gibt Legionen interplanetarischer Fluggeschichten, aber erst in unserem Zeitalter wurde die Maschine vollendet, die diese Träume wahrmachen konnte.«
Etwas Dunkles hob sich silhouettenartig von dem Sternenfeld ab – etwas Schlankes und Zugespitztes, nach Aufbruch Begieriges. Es wurde hell, und die Sterne verblassten. Nur die große Rakete blieb zurück, und ihr silberner, in der Wüste ruhender Rumpf schimmerte im Sonnenlicht.
Die Sandmassen schienen ins Kochen zu geraten, als sich der Feuerstoß hineinfraß. Dann stieg das Riesengeschoss stetig wie an einem unsichtbaren Draht empor. Die Kamera schwenkte nach oben. Die Rakete erschien verkürzt gezeichnet und verlor sich am Himmel. Kaum eine Minute später sah man nur noch den gewundenen Kondensstreifen.
»Im Jahre 1942«, fuhr der Sprecher fort, »wurde die erste der großen modernen Raketen insgeheim vom Ufer der Ostsee abgeschossen. Das war die V 2, die London in Schutt und Asche legen sollte. Sie bildet den Prototyp aller späteren Maschinen, des Weltraumschiffes eingeschlossen, wir wollen sie uns deshalb etwas näher betrachten.«
Es folgten eine Reihe von Teilansichten der V 2 mit ihren wesentlichsten Bestandteilen – den Treibstoffbehältern, dem Pumpsystem und dem Motor
Weitere Kostenlose Bücher