Auferstanden: Thriller (German Edition)
Rauschen des Wassers. Die Dunkelheit der Nacht hüllte seinen Körper ein und trübte sein Bewusstsein. Das Mondlicht huschte über das schlammige Ufer und das nasse Laub der Bäume ringsherum. Er spürte, dass sich jemand in seiner Nähe aufhielt. Der Mann war aus dem Wald gekommen und kniete außerhalb seines Sichtfeldes im Schutze der Nacht neben seinem Kopf.
Jack hatte unerträgliche Schmerzen am ganzen Körper. Sein Kopf pochte, sein Gesicht war von Wunden übersät, sein Herz hämmerte wie wild, und im Brustkorb spürte er ein Gefühl der Beklemmung, als hätte ihn jemand in einen Schraubstock gespannt.
Dann hörte er eine Stimme. An sein Ohr drang ein ruhiger Singsang, wie ein leises Gebet in einer fremden Sprache. Obwohl Jack nur Englisch sprach, verstand er die Worte des Mannes.
»Zwischen Leben und Tod, zwischen der tiefsten Nacht und dem ersten Licht des Morgengrauens, in diesem Augenblick, wenn wir allmählich aus dem Schlaf erwachen, ist alles möglich, Jack.«
Der Mann zog Jacks nackten Arm zu sich herüber. Im Licht des Mondes nahm er einen Federkiel aus der Tasche und eine Flasche Tinte aus der anderen. Er tauchte den Federkiel in die dunkelbraune Tinte und begann mit dem Geschick eines Künstlers zu schreiben. Als er sich über den Arm beugte und sorgfältig die Schriftzeichen auftrug, wirkte er wie ein weiser Mann.
»Sie können sie noch retten, Jack«, flüsterte er während des Schreibens. »Doch die Zeit rennt Ihnen davon und entgleitet Ihnen bald, und dann ist alles für immer verloren.«
Jack schlug die Augen auf. Er versuchte verzweifelt, den Traum, der allmählich verblasste, festzuhalten und sich an die Antworten zu klammern, die während seines Schlafs aus der Erinnerung aufgestiegen waren. Er lag wieder festgeschnallt in dem Krankenhausbett. Entsetzlicher Kummer, Trauer und Verwirrung erfüllten ihn.
Das, was er für die Realität hielt, drohte ihm zu entgleiten. Mia – seine bessere Hälfte, seine Liebe, seine beste Freundin –, sie bedeutete ihm alles, und sie war tot.
Jack ließ die letzten fünfzehn Stunden noch einmal Revue passieren – alle Gespräche und alle Erlebnisse. Alles schien so real gewesen zu sein. Sein Gespräch mit Jimmy Griffin … Er konnte sich nicht vorstellen, dass er tot war oder ein Betrüger sein sollte. Er war ein Freund von Mia. Er hatte Jack nicht hereingelegt und nicht in die Irre geführt, sondern nur gesagt, dass Mias Rettung von der Beschaffung der Beweismittel-Kassette abhing.
Cristos war keine Illusion, kein Geist, der zurückgekehrt war, um ihn zu quälen. Er hatte ihn leibhaftig gesehen. Auch die Kugeln waren echt und keine Einbildung. Jack hätte sich nicht aus einer Laune heraus den Weg ins Detention Center freigeschossen. Er hätte Charlie oder andere unschuldige Männer nicht getötet. Vor vielen Jahren war ihm der Tod begegnet, den er selbst herbeigeführt hatte. Dieses Erlebnis hatte letztendlich dazu geführt, dass er in das Fach Jura gewechselt war, um keine Waffe mehr in die Hand nehmen zu müssen. Den Fehler von damals würde er nicht wiederholen.
Vor allem aber hatte Jack Mias Stimme gehört. Er hatte von Cristos’ Wagen aus mit ihr gesprochen. Das bildete er sich nicht ein. Das war kein Wunschdenken eines geistig verwirrten trauernden Mannes. Er hatte ihre Verzweiflung gespürt und ihre große Erleichterung, als sie vernahm, dass er noch lebte.
Jack kannte Ryan schon eine Ewigkeit. Er war immer ein guter Freund gewesen, ein Mensch, auf den er zählen konnte. Jack konnte nicht glauben, dass Ryan ihn belog und ihm erfundene Geschichten erzählte. Oder wurde auch er manipuliert? Zog er Schlüsse aus Fakten, die er in der kurzen Zeit auf gar keinen Fall überprüfen konnte? War er in die Falle getappt, indem er leichtfertig Informationen, die nur zu einem Schluss führen konnten, Glauben geschenkt hatte? Jack konnte sich nicht vorstellen, dass sein Freund ihm so übel mitspielte. Ryans Kummer, als er ihm die Diagnose seiner Krebserkrankung mitteilen musste, war ebenso aufrichtig gewesen wie sein Mitleid, als er ihn ans Bett gefesselt sah. Und vor allem würde Ryan nicht auf Verlangen des FBI Tränen oder Trauer vortäuschen, weil ein Freund angeblich seine Frau verloren hatte. Ryan glaubte alles, was er Jack sagte … und Ryan war der Meinung, er sei verrückt.
Emily und Ryan hatten das Zimmer verlassen, um über Jacks »Zustand« und seine »Wahnvorstellungen« zu sprechen. Die zehn Minuten, in denen er alleine war, kamen
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