Auferstanden: Thriller (German Edition)
aufzutauchen, war das hier ein Trickkästchen, wie Jack sie gerne baute, auch wenn Mia immer darüber spottete. »Warum eine Kiste bauen, wenn du eine Trickkiste bauen kannst? Warum einen Stuhl bauen, wenn du einen Trickstuhl bauen kannst?«
Als er den Deckel aufklappte, kamen eine Reihe von Akten zum Vorschein. Jack sah sie kurz durch und fand schnell, was er suchte. Es war eine dicke Akte mit seinen persönlichen Aufzeichnungen und Ermittlungsergebnissen, die er vor achtzehn Monaten für einen Fall gesammelt hatte. Genauer gesagt handelte es sich um ein Duplikat der Originalakte, die in seinem Büro lag, aber dorthin würde er jetzt nicht fahren. Diese Akten bargen keine Geheimnisse, die unbedingt unter Verschluss gehalten werden mussten. Jack war es jedoch lieber, alles zu verstecken, was neugierigen Kindern, die gerne in einem unbeobachteten Moment in Dads Sachen wühlten, Angst einflößen könnte.
Jack schaute auf die kleine Ecke des Tattoos, die unter dem linken Ärmel hervorguckte. Es waren eigentümliche Schriftzeichen aus einer fremden Kultur, die nicht viele kannten. Und doch hatte Jack heute Morgen, als Professor Adoy seinen Arm betrachtet und die fremde Sprache erwähnt hatte, nicht zum ersten Mal vom Volk der Cotis gehört, wenn er ehrlich war. Er hatte nämlich gegen einen von ihnen, der wegen dreifachen Mordes vor Gericht gestanden hatte, einen Prozess geführt – und gewonnen. Dieser Mann war im letzten Herbst vor seinen Augen hingerichtet worden.
In der Akte lag auch ein Buch über das Volk der Cotis und die Geschichte des kleinen asiatischen Landes. Jack hatte es gelesen und gehofft, Einblicke in die Denkweise des Mannes zu gewinnen, den er eines schweren Verbrechens anklagte. Doch die Legenden, Mythen und Sagen in dem Buch halfen ihm bei dem Gerichtsverfahren nicht weiter. Auf einem einzelnen Blatt standen die spärlichen Angaben über den Angeklagten, von dem es keinerlei Hintergrundinformationen gab. Und vor allem enthielt die Akte die detaillierten Beweise, die dazu führten, dass er zum Tode durch die Todesspritze verurteilt wurde.
Jack klappte die Akte zu und schloss zuerst das Geheimfach und dann den Schrank. Er klemmte die Akte unter den Arm und kehrte in die Küche zurück.
»Hast du sie?«
»Ja.«
»Sagst du mir, was du gefunden hast?«
»Ich glaube, Mias Entführung hängt mit einem Fall zusammen, mit dem ich vor einiger Zeit zu tun hatte.«
»Und woher willst du das wissen?«
Jack legte die dicke Akte auf die Küchentheke und nahm das Buch über das Volk der Cotis heraus. Er blätterte darin und schlug eine Seite auf, in der es um ihre Sprache ging. Daraufhin krempelte Jack den Ärmel hoch und legte seinen Arm daneben. Obwohl sich die Schriftzeichen in Größe und Farbe unterschieden, bestand kein Zweifel, dass sie identisch waren.
»Und du hast mit mir nicht vorher darüber gesprochen, weil …«
»Ich wollte zuerst sicher sein.«
»Scheiße.« Frank war richtig sauer. »Wenn ich dir helfen soll, wäre es besser, wenn du mit mir über alles sprichst, was du weißt. Das machen Partner so. Erinnerst du dich?«
Jack nickte. »Natürlich erinnere ich mich.«
»Ich hol den Wagen.«
»Okay, lass uns gehen …«
»Nein. Ich hol dich in fünf Minuten ab. Ich muss mich zuerst beruhigen. Vielen Dank.«
Wütend lief Frank durch die Seitentür hinaus. Jack schaute ihm nach und klappte die Cotis-Akte zu. Dann warf er noch einmal einen Blick auf den linken Unterarm, auf die komplizierte Schrift in brauner Farbe, die sich vom Ellbogen bis zum Handgelenk erstreckte.
Er glaubte fast, verrückt zu werden, weil er sich nicht erinnerte, wo dieses Tattoo herkam. Es war ein Rätsel, wie etwas so Kompliziertes aufgetragen werden konnte, ohne dass er eine Erinnerung daran hatte. Während Jack noch immer auf das Tattoo starrte, fragte er sich, ob die Übersetzung von Professor Adoy richtig war. Vielleicht verbarg sich noch eine andere Bedeutung dahinter, von der niemand etwas ahnte.
Jack liebte die griechische Mythologie, aber noch mehr interessierte er sich für Rätsel und Geheimnisse. Diese Dinge lieferten ihm Inspirationen für seinen Job und halfen ihm, das Unbekannte aufzudecken, Beweismaterialien so zusammenzufügen, dass sich daraus ein Tathergang rekonstruieren ließ und die Wahrheit ans Licht kam. Jetzt war er selbst ein Teil des Mysteriums.
Seit seiner Kindheit faszinierten Jack Rätsel aller Art, und mit etwa siebzehn Jahren fing er an, seine eigenen zu konstruieren. Es
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