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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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erlitten und überlebt – und wenn, dann war er kein Mensch.
    Die Decke bestand aus jahrhundertealten verrußten Balken, wie es in vielen dieser alten Häuser war. An der Stelle, wo sie eingestürzt war, war ein massiver Balken zerbrochen und seine gezackten Enden herabgefallen. Eines davon – ein ungeheurer Pflock aus altem sprödem Kiefernholz – hatte seine Spitze durch die Brust des Mannes getrieben und sich in die Dielenbretter unter ihm gebohrt; so lag er dort, aufgespießt wie ein hilfloser Käfer von einem Streichholz. Das allein hätte ihn umbringen müssen, hätte jeden anderen von seiner Sorte erledigt. Das war aber noch nicht alles.
    Irgendetwas – vermutlich die Explosion, die üble Streiche spielen kann – hatte seine Kleidung in der Mitte wie ein großes Rasiermesser aufgeschlitzt. Von der Leistengegend bis zum Brustkasten war er nackt, und nicht nur seine Kleider waren aufgeschlitzt worden. Sein zitternder Bauch war eine Masse zerfetzter, durchtrennter Nerven; die ganzen inneren Organe waren sichtbar. Seine Eingeweide lagen vor mir, Dragosani, sie pulsierten vor meinen entsetzten Augen; aber es war nicht das, was ich erwartet hatte, es waren nicht die Gedärme eines gewöhnlichen Menschen.
    Hmm? Was? Ich sehe den Zweifel in Ihrem Gesicht. Was rede ich da, fragen Sie sich. Gedärm ist Gedärm, Eingeweide sind Eingeweide. Schleimige Röhren, gewundene Schläuche und dampfende Verbindungsstücke; seltsam geformte, rote, gelbe und purpurne Fleischlappen; aufgequollene Würste und brodelnde Blasen. Oh ja, diese Dinge gab es in der Tat in seinem aufgerissenen Rumpf. Aber nicht nur das. Dort war noch etwas anderes! «
    Dragosani lauschte gespannt, atemlos; aber obwohl sein Interesse erwacht und all seine Aufmerksamkeit auf Girescis Geschichte konzentriert war, verriet sein Gesichtsausdruck kaum Mitgefühl oder Erschrecken.
    Giresci sah es. »Ah«, sagte er. »Sie sind selbst auch nicht ohne Durchhaltevermögen, mein junger Freund, es gibt viele, die nach dem, was ich gerade erzählt habe, erbleichen oder sich übergeben würden. Und es gibt noch so viel mehr zu erzählen. Wir werden sehen, wie Sie den Rest verkraften ...
    Ich sagte, dass es noch etwas anderes im Innern dieses Mannes gab, und so war es auch. Ich sah es, als ich ihn dort aufgespießt liegen sah, und glaubte zunächst, meine Augen spielten mir einen Streich. Jedenfalls sahen wir uns gegenseitig an, und nachdem unsere Blicke sich zum ersten Mal getroffen hatten, schien dieses Etwas in ihm zurückzuweichen und hinter dem Rest seiner Eingeweide zu verschwinden. Oder ... vielleicht hatte ich mir einfach nur eingebildet, dass dort etwas war, hmm? Stellen Sie sich einen Kraken vor oder eine Nacktschnecke. Nur größer, mit Fangarmen, die sich um alle gewöhnlichen Organe des Körpers winden, mit einem Zentrum in der Herzregion oder dahinter. Ja, stellen Sie sich einen riesigen Tumor vor – beweglich, empfindungsfähig!
    Es war da, es war fort, ich hatte es mir eingebildet. Glaubte ich. Die Todespein dieses Mannes war allerdings keine Einbildung, auch nicht seine schrecklichen Wunden und die Tatsache, dass nur ein Wunder – eine Reihe von Wundern – bis jetzt sein Leben bewahrt hatten. Er würde nicht mehr als bloß noch ein paar Minuten oder Sekunden zu leben haben. Nein, er war mit Sicherheit erledigt.
    Aber er war bei Bewusstsein! Stellen Sie sich das vor! Und versuchen Sie sich seine Qualen vorzustellen, wenn Sie können. Ich konnte es, und als er mich ansprach, wurde ich vor Schreck fast ohnmächtig. Dass er denken konnte, dass noch irgendeine Art von geordnetem Gedankengang in ihm übrig war, das war ... unvorstellbar. Dennoch behielt er eine Art Selbstbeherrschung. Sein Adamsapfel hüpfte, hob sich, und er flüsterte: ›Zieh ihn heraus. Zieh ihn aus mir heraus. Die Spitze des Balkens, hol ihn aus meinem Körper.‹
    Ich kam wieder zu Sinnen, zog meine Jacke aus und legte sie vorsichtig über seine aufgeplatzten Gedärme. Das war mehr für mich als für ihn, verstehen Sie. Ich hätte nichts tun können, solange seine Eingeweide dermaßen zur Schau gestellt waren. Dann griff ich nach dem Balken.
    ›Das bringt nichts‹, sagte ich ihm und benetzte nervös meine Lippen. ›Es wird Sie auf der Stelle töten! Falls ich es schaffe – falls! –, sterben Sie sofort. Ich würde Ihnen keinen Gefallen damit tun, Ihnen etwas vorzumachen!‹
    Er schaffte es zu nicken. ›Versuch es trotzdem‹, keuchte er.
    Und so versuchte ich es. Unmöglich!

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