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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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das große Haus bei Bonnyrigg waren enorm; und das Geld, das er mit seiner Privatlehrertätigkeit verdiente, reichte nicht aus. Er wollte das Haus verkaufen, aber es war inzwischen in einem derartigen Zustand des Verfalls, dass es keinen guten Preis erzielt hätte; außerdem brauchte er die Abgeschiedenheit, die ihm das Haus bot. Ein paar der Zimmer zu vermieten, würde seine Privatsphäre genauso beeinträchtigen, und die Reparaturen, die dazu notwendig wären, überstiegen ohnehin seine Mittel.
    Er verfügte jedoch über mehr als nur eine sprachliche Begabung. Während der vergangenen Monate hatte er einige diskrete Reisen nach London unternommen, weil er Informationen verkaufen wollte. Informationen, die gewissen hochinteressierten ausländischen Kreisen eine Menge Geld wert sein sollten.
    Kurz, Viktor Shukshin war ein Spion – oder hätte zumindest einer werden sollen, als Gregor Borowitz ihn 1957 erstmals mit der Legende eines politischen Flüchtlings aus der UdSSR nach Großbritannien gesandt hatte.
    Nachdem er Mary Keogh geheiratet und dann ermordet hatte, hatte sich Shukshin finanziell so gut ausgestattet gefühlt, dass er seinen Sowjetoberen abtrünnig wurde und sich für die britische Staatsbürgerschaft entschieden hatte. Den ursprünglichen Grund für seine Ankunft in Großbritannien hatte er jedoch nicht vergessen, und als Schutz vor zukünftigen Ereignissen Informationen zusammengetragen, die seinem Mutterland irgendwann nützlich sein konnten. Erst aufgrund seiner finanziellen Engpässe hatte er vor Kurzem erkannt, in welch einer guten Position er sich befand. Wenn die Sowjets ihm seinen Preis nicht zahlen wollten, konnte er damit drohen, den Briten seine Kenntnis über eine gewisse russische Organisation zu überlassen. Darum hatte Shukshin an diesem strahlenden Maimorgen einen sorgsam verschlüsselten Brief an einen alten ›Brieffreund‹ in Berlin geschrieben, der diesen Brief durch die DDR schleusen und zu Gregor Borowitz selbst nach Moskau bringen würde. Dieser Brief war schon in der Post, Shukshin war in seinem zerbeulten Ford gerade erst vom Postamt Bonnyrigg nach Hause zurückgekommen.
    Shukshin fühlte sich seltsam aufgewühlt, als er über die Steinbrücke fuhr, die zu seiner Auffahrt führte. Er kannte es von früher: eine eigenartige Energie, die eiskalt sein Rückgrat emporkroch und wie statische Elektrizität an seinen Haaren zerrte. Auf der Brücke hatte sich ein schlanker junger Mann über die Brüstung gelehnt und in die langsamen Strudel des Flusses geschaut. Er trug Schal und Mantel und blickte Shukshins Auto hinterher. Seine hellblauen ernsten Augen hatten ausgesehen, als ob sie durch die Karosserie dringen wollten, um Shukshin mit ihrem eiskalten Blick zu berühren. Und der Russe hatte erkannt, dass dieser Fremde mit mehr als den gewöhnlichen Gaben der Natur ausgestattet war, dass seine Wahrnehmungsfähigkeit über der eines normalen Menschen lag. Er wusste es mit absoluter Sicherheit, denn auch Shukshin hatte eine Begabung. Er war ein ›Talentspürer‹: Sein Talent lag in der sofortigen Erkennung anderer ESP-begabter Personen.
    Wer der Junge sein könnte und welche Bedeutung sein Auftauchen in diesem Augenblick haben mochte, dafür gab es mehrere Erklärungen. Es könnte Zufall sein, ein rein zufälliges Zusammentreffen; es wäre weder das erste noch das fünfzigste Mal, dass Shukshin über solch eine Person stolperte. ESP tauchte in Abstufungen von Stärke und Färbung auf, und in diesem Fall war die Begabung wirklich stark gewesen, scharlachrot – eine rot gefärbte Wolke in Shukshins Geist. Oder die Gegenwart des Jungen hatte einen Zweck. Er könnte hierher gesandt worden sein, von der britischen Konkurrenz. Shukshin mochte durchaus aufgespürt und verfolgt worden sein. Wenn er seine letzten Reisen nach London in Betracht zog, und das, was er anschließend über das britische E-Spionage-Dezernat herausgefunden hatte, war diese Theorie keineswegs weit hergeholt. Sie löste nicht nur Panik in ihm aus, sondern auch noch ein anderes Gefühl. Etwas war in Shukshin erwacht, etwas, das er kontrollieren musste. Etwas, das ihn seine Augen verengen ließ, während er daran dachte, wie leicht es doch gewesen wäre, seinen Wagen herumzureißen und den Fremden an der Brüstung zu zerquetschen. Er fühlte Hass, den tiefen und unauslöschlichen Hass gegen alle ESPer.
    Seine Wut ebbte langsam ab, und er blickte auf seine Hände. Seine Finger hielten die Tischkante umklammert, sodass die

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