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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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brodelnden Gefühle und den Hass, den die Gegenwart eines ESPers unweigerlich in ihm auslöste.
    »Hah!«, bellte er. »Lächerlich! Ich wurde in Russland geboren. Ich habe Abschlüsse in meiner Muttersprache gemacht, da war ich erst 17. Ich hatte schon vor meinem 20. Geburtstag ein Diplom in Deutsch. Ich weiß nicht, woher du deine fixen Ideen hast, Harry Keogh, aber besonders fundiert sind sie nicht! Glaubst du wirklich, dass man englische Schulleistungen mit einer lebenslangen Arbeit vergleichen kann? Oder versuchst du bloß, mich zu beleidigen?«
    Keogh lächelte immer noch, aber es war jetzt ein Lächeln mit scharfen Kanten. Er setzte sich Shukshin gegenüber auf einen Stuhl und lächelte dieses harte Lächeln über den Schreibtisch hinweg direkt in das verachtungsvolle Gesicht seines Gegenübers hinein. Und er streckte seinen Geist aus zu einem alten Freund, Klaus Grünbaum, einem ehemaligen Kriegsgefangenen, der nach dem Krieg ein englisches Mädchen geheiratet und sich in Hartlepool niedergelassen hatte. Grünbaum war 1955 an einem Schlaganfall gestorben und auf dem Friedhof Grayfields begraben worden. Dass dieser über 200 Kilometer entfernt lag, spielte keine Rolle! Grünbaum antwortete Harry, sprach mit ihm – durch ihn – sprach in schnellem flüssigem Deutsch, direkt über Shukshins Schreibtisch und in sein Gesicht hinein.
    »Wie steht es um mein Deutsch, Stiefvater? Vielleicht erkennst du, dass so in der Hamburger Gegend gesprochen wird.« Harry machte eine Pause und veränderte im nächsten Augenblick seinen/Grünbaums Akzent. »Vielleicht magst du lieber das? Es ist Hochdeutsch, wie es von der gebildeten Oberschicht gesprochen und von der Masse nachgeahmt wird. Oder soll ich für dich irgendetwas Ausgefallenes machen, eine schwierige grammatische Konstruktion vielleicht? Würde dich das überzeugen?«
    »Sehr raffiniert«, gab Shukshin schnippisch zu. Seine Augen hatten sich geweitet, während Harry gesprochen hatte, aber nun verengte er sie zu Schlitzen. »Eine sehr raffinierte Vorführung, ja, und ziemlich fließend. So ein paar Sätze könnte aber jeder in einer halben Stunde auswendig lernen und wie ein Papagei nachplappern! Russisch ist eine ganz und gar andere Sache.«
    Keoghs Grinsen wurde verkniffener. Er dankte Klaus Grünbaum und wandte seinen Geist in eine andere Richtung – zu einem Friedhof im nahe gelegenen Edinburgh. Er war kürzlich dort gewesen, um etwas Zeit mit seiner russischen Großmutter zu verbringen, die einige Monate vor seiner Geburt gestorben war. Nun fand er sie wieder und sprach mit ihrer Hilfe mit seinem Stiefvater in dessen Muttersprache. Ihr Geist ließ ihn in sicherem Russisch zu einer Abhandlung über ›das Versagen des repressiven kommunistischen Systems‹ ansetzen, und hielt erst nach ein paar erstaunlichen Minuten inne.
    Schließlich schrie Shukshin: »Was soll das, Harry? Noch mehr nachgeäffter Mist? Was bezweckst du mit diesen Taschenspielertricks?« Obwohl er sich so aufspielte, schlug Shukshins Herz etwas schneller, etwas schwerer in seiner Brust. Der Junge klang so ... nach jemand anderem. Jemand, den er verabscheut hatte.
    Keogh, der noch das Russisch seiner Großmutter verwendete, aber jetzt seine eigenen Gedanken aussprach, antwortete: »Könnte ich das wie ein Papagei lernen? Bist du so blind, dass du die Wahrheit nicht erkennst, wenn sie dir direkt gegenübersteht? Ich habe ein Talent, Stiefvater. Ich habe mehr davon, als du dir jemals erträumen könntest. Mehr als meine arme Mutter je hatte ...«
    Shukshin erhob sich und lehnte sich an seinen Schreibtisch. Der Hass brandete wie eine Flutwelle aus ihm heraus, schien sich fast physisch wie eine Welle an Keogh zu brechen. »Na gut, du bist also ein schlauer kleiner Scheißer!«, antwortete er auf russisch. »Und jetzt? Du hast zweimal deine Mutter erwähnt. Worauf willst du hinaus, Harry Keogh? Mir scheint fast, du willst mich bedrohen.«
    Harry sprach weiter in Shukshins eigener Sprache: »Bedrohen? Warum sollte ich dich bedrohen, Stiefvater? Ich wollte dich nur sehen, das ist alles – und dich um einen Gefallen bitten.«
    »Was? Erst versuchst du, mich wie einen Idioten hinzustellen, und dann hast du die Frechheit, mich um einen Gefallen zu bitten? Was willst du von mir?«
    Es war Zeit für die dritte Bombe. Keogh stand ebenfalls auf. »Ich habe gehört, dass meine Mutter gerne Schlittschuh lief«, sagte er, immer noch in perfektem Russisch. »Dort draußen ist doch ein Fluss, direkt am Ende des

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