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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Farbe aus ihnen gewichen war. Er zwang sich, den Griff zu lockern und lehnte sich schwer atmend zurück. So war es jedes Mal, aber er hatte gelernt, damit umzugehen – fast. Wenn er nur diesen Brief nicht an Borowitz geschickt hätte. Das könnte ein schwerer Fehler gewesen sein. Vielleicht hätte er seine Dienste stattdessen direkt den Briten anbieten sollen; vielleicht sollte er das, ohne zu zögern, noch tun. Bevor sie ihm auf die Schliche kamen ...
    Das waren seine Gedanken, als es an der Tür klingelte, und da es schuldbewusste Gedanken waren, schreckte er ordentlich zusammen.
    Shukshins Arbeitszimmer befand sich im Erdgeschoss in einem Raum auf der Rückseite des Hauses; eine Terrassentür führte hinaus in einen Hinterhof. Er stand vom Schreibtisch auf, eilte durch Räume und Korridore, durchquerte Frühlingssonne und Schatten, näherte sich dem vorderen Teil des Hauses und zuckte zusammen, als die Klingel noch einmal seine Nerven malträtierte.
    »Ich komme, ich komme!«, rief er – aber er wurde langsamer und blieb auf der Schwelle der langen, verglasten Vorhalle stehen.
    Dort draußen, auf der anderen Seite der Milchglasscheiben, stand eine gut eingemummte Gestalt, die Shukshin sofort erkannte: Es war der junge Mann von der Brücke.
    Shukshin wusste es auf zweierlei Art. Eine davon war simple Beobachtung und konnte fehlerhaft sein. Die andere Art war genauer und so eindeutig wie ein Fingerabdruck: Wieder fühlte er einen Stoß seltener Energiefelder und seinen instinktiven Hass auf alle ESP-talentierten Menschen.
    Erneut stieg eine Flut von Panik und Leidenschaft in ihm hoch. Er kämpfte sie nieder, bevor er zur Tür schritt. Jetzt wollte er herausfinden, was hier gespielt wurde. Er öffnete die Tür.
    »Guten Tag«, sagte Harry Keogh, lächelte und streckte die Hand aus. »Sie müssen Viktor Shukshin sein. Ich glaube, Sie geben Privatunterricht in Deutsch und Russisch?«
    Shukshin ergriff Keoghs Hand nicht, sondern stand wie angewurzelt da und starrte ihn an. Harry starrte zurück und lächelte die ganze Zeit weiter, obwohl sich in ihm bei dem Gedanken, dem Mörder seiner Mutter gegenüberzustehen, alles zusammenzog. Er versuchte, nicht mehr daran zu denken. Im Moment reichte es aus, den Fremden, den er zu vernichten gedachte, zu beobachten und seine Schlüsse zu ziehen.
    Der Russe war Ende 40, sah aber wenigstens zehn Jahre jünger aus. Er hatte einen Wanst, und sein dunkles Haar durchzogen graue Strähnen; sein Backenbart ging über in einen säuberlich getrimmten Spitzbart um einen fleischigen Mund. Seine dunklen Augen waren rot unterlaufen und tief in dem faltigen, grauen Gesicht versunken. Er schien nicht ganz auf der Höhe zu sein, aber Keogh vermutete eine gefährliche Kraft in ihm. Er besaß gewaltige Hände und breite Schultern; hätte er nicht so gebeugt gestanden, wäre er deutlich über 1,80 Meter groß gewesen. Insgesamt war er ein außerordentlich beeindruckender Mann. Außerdem war er ein Mörder, dessen Blut so kalt wie Eis war, erinnerte sich Keogh wieder.
    »Äh, Sie geben doch Sprachunterricht, oder?«
    Shukshins Gesicht brach zu etwas wie einem Lächeln auf. Ein nervöser Tick zerrte an seinen Mundwinkeln. »Das stimmt«, antwortete er mit öliger, sonorer Stimme, die eine Spur seines Akzents bewahrt hatte. »Ich nehme an, jemand hat mich empfohlen? Wer, äh, hat Sie geschickt?«
    »Empfohlen?«, antwortete Keogh. »Nein, nicht direkt. Ich habe Ihre Anzeige in der Zeitung gelesen, das ist alles. Niemand hat mich geschickt.«
    »Aha!« Shukshin war argwöhnisch. »Und Sie brauchen Unterricht, richtig? Entschuldigen Sie, wenn ich etwas begriffsstutzig erscheine, aber heutzutage scheint sich niemand mehr für Sprachen zu interessieren. Ich habe einen oder zwei regelmäßige Schüler. Nicht mehr. Ich habe im Moment keine Zeit, noch jemand weiteres aufzunehmen. Außerdem bin ich ziemlich teuer. Aber haben Sie davon nicht schon genug in der Schule gehabt? Sprachen, meine ich?«
    »Nicht in der Schule«, verbesserte ihn Keogh, »auf dem College.« Er zuckte mit den Achseln. »Die alte Leier, befürchte ich: Ich hatte keine Zeit, als es kostenlos war, also muss ich jetzt dafür bezahlen. Ich möchte viel reisen, verstehen Sie, und ich dachte ...«
    »Sie möchten Ihr Deutsch auffrischen, ja?«
    »Und mein Russisch.«
    In Shukshins Kopf schrillten Alarmglocken. Das war alles gelogen. Dieser junge Mann war mehr als bloß irgendein abartiges ESP-Talent. Shukshin hatte das seltsame Gefühl, ihn

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