Auferstehung
rasch fortschreitenden Lichtempfindlichkeit her, denn jetzt scheute er wortwörtlich das Licht des Tages und ging noch nicht einmal in schwachem Licht ins Freie, ohne eine Sonnenbrille zu tragen.
Er war zwar körperlich fit – aber diese Träume, diese namenlosen Ängste und Besessenheiten – seine Neurosen ...
Und er war einfach neurotisch. Das auch nur sich selbst gegenüber zuzugeben, war ein Schock für Dragosani.
Wenigstens eins war sicher. Wie auch immer diese britische Mission ausging, am Ende beabsichtigte Dragosani, bei der ersten Gelegenheit nach Rumänien zurückzukehren. Gewisse Dinge, Fragen, mussten geklärt werden. Je früher, desto besser. Alles war viel zu lange nach Thibor Ferenczys Willen gelaufen.
Max Batu, der neben Dragosani in einer engen Dreierreihe saß und seines Umfanges wegen die Armlehne hochgeklappt hatte, gluckste. »Genosse Dragosani«, sagte der gedrungene kleine Mongole, »ich soll eigentlich derjenige mit dem bösen Blick sein. Haben Sie vielleicht unsere Rollenaufteilung vergessen?«
»Wie bitte?« Dragosani fuhr in seinem Sitz auf.
Er starrte seinen grinsenden Begleiter an. »Wie meinen Sie das?«
»Ich weiß nicht, worüber Sie gerade nachgedacht haben, aber es verheißt für irgendjemanden bestimmt nichts Gutes. Der Ausdruck auf Ihrem Gesicht war sehr wild!«
»Ach so«, sagte Dragosani und entspannte sich ein wenig. »Meine Gedanken gehören mir und gehen Sie einen Dreck an.«
»Sie sind ein kalter Hund, Genosse. Vermutlich sind wir beide kalt, aber Ihre Kälte kann sogar ich spüren. Sie geht mir durch und durch.« Das Grinsen glitt langsam von Batus Gesicht. »Habe ich Sie beleidigt?«
»Nur mit Ihrem Geschwätz«, knurrte Dragosani.
»Wie dem auch sei«, meinte der andere schulterzuckend, »aber wir müssen ›schwatzen‹. Sie sollten mir Informationen geben und die Fragen beantworten, die Borowitz offengelassen hat. Es wäre eine gute Idee, wenn Sie es jetzt täten. Wir sind sicher hier – selbst der KGB hat Aeroflot noch nicht verwanzt! Wir haben auch bloß noch eine Stunde, bis wir in London landen. In der Botschaft könnte so ein Gespräch schwierig werden.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte Dragosani widerwillig. »Na gut, dann werde ich das Puzzle für Sie eben zusammensetzen. Es ist vielleicht besser, wenn Sie ganz im Bilde sind.
Borowitz hat das Dezernat vor etwa 25 Jahren entwickelt. Zu der Zeit begann eine große russische Gruppe sogenannter ›Grenzwissenschaftler‹, sich für Parapsychologie zu interessieren. Bis dahin hatte man so was in der UdSSR nicht für voll genommen. Borowitz war interessiert – er hatte sich immer mit ESP beschäftigt – trotz seines ziemlich bodenständigen militärischen Hintergrundes und sonst eher banaler Interessen. Menschen mit seltsamen Fähigkeiten hatten ihn schon immer fasziniert und angezogen: Er war ein ›Talentspürer‹ und hatte es bloß noch nicht begriffen.
Als er schließlich dahinterkam, dass er diese besondere Gabe besaß, bewarb er sich sofort als Leiter unserer ESP-Spionage-Schule. Wissen Sie, ursprünglich war es eine Schule; es gab keine echte Anwendung im Feld. Der KGB hatte kein Interesse. Die wollten Muskeln und schusssichere Westen, ESP war viel zu esoterisch für die.
Da es mit seinem Militärdienst zu Ende ging und weil er gute Verbindungen hatte – ganz zu schweigen von seinen eigenen, nicht unbeträchtlichen Fähigkeiten –, bekam er den Job. Ein paar Jahre später stieß er auf einen anderen Talentspürer, aber unter sehr merkwürdigen Umständen. Und das kam so: Ein weiblicher Telepath, eine von den wenigen Frauen in Borowitz’ Team, wurde brutal ermordet. Ihr Freund, ein Mann namens Viktor Shukshin, wurde des Verbrechens angeklagt. Zur Verteidigung gab er vor, dass das Mädchen von Dämonen besessen gewesen sei. Er konnte es in ihr spüren. Natürlich war Borowitz hochinteressiert. Er prüfte Shukshin und entdeckte, dass er ein Talentspürer war. Darüber hinaus war es so, dass die Aura parapsychisch befähigter Personen ihn richtiggehend störte, verwirrte und zu Mordtaten trieb – was sich gewöhnlich gegen den ESPer richtete. Einerseits zog es Shukshin zu ESPern hin, andererseits trieb es ihn dazu, sie zu zerstören. Borowitz rettete Shukshin vor den Salzbergwerken – genauso wie er Sie gerettet hat, Max – und nahm ihn unter seine Fittiche. Er hatte vor, die mörderischen Neigungen des Mannes auszutreiben und gleichzeitig seine Gabe des Erkennens von Talenten zu
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