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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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wahren Gefühle preisgab: Oh, wie sehr ich mich – darauf – freue!
    In Wirklichkeit war Harry nicht in Edinburgh, sondern viel näher bei Shukshin. Er stand im Foyer eines Hotels in Bonnyrigg, wo er die letzten paar Nächte verbracht hatte. Nach dem Gespräch mit Shukshin zog er sich seinen Mantel über und ging hinaus zu seinem Auto, einem verbeulten alten Morris, den er speziell für diese Fahrt angeschafft hatte. Er hatte die Führerscheinprüfung beim ersten Versuch bestanden – wenn auch mithilfe eines ehemaligen Fahrlehrers auf dem Friedhof von Seaton Carew.
    Nun fuhr er auf vereisten Straßen auf die Spitze eines Hügels, der etwa eine Viertelmeile von dem alten Haus entfernt lag. Dort parkte er und stieg aus. Es war niemand zu sehen; die Szenerie war karg und trostlos; zitternd ging Harry mit seinem Fernglas zu einer Baumgruppe, die sich kahl gegen den Himmel erhob. Hinter einem der Baumstämme nahm er Stellung, richtete das Fernglas auf das Haus und wartete – nicht mehr als ein oder zwei Minuten.
    Shukshin trat aus der Terrassentür seines Arbeitszimmers, eilte durch den Garten und erschien schließlich an einer Pforte in der Mauer auf der Flussseite. In der Hand trug er eine Spitzhacke ...
    Harry sog scharf die Luft ein und stieß sie langsam in einer Wolke wieder aus.
    Shukshin stapfte durch trockenes Unterholz und Büsche hinunter zum Flussufer. Er betrat vorsichtig das Eis, prüfte es, hüpfte am Rand auf und ab. Dann drehte er sich im Kreis und sah sich um. Der Ort war wie ausgestorben.
    Harry beobachtete durch das Fernglas, wie die Gestalt die Hacke schwang und eine kreisförmige Linie in die harschige Oberfläche des Eises schlug. Nun schritt Shukshin um diesen eingeritzten Zirkel herum und hackte immer wieder mit der Kraft und Leidenschaft eines Wahnsinnigen, bis jedes Mal Wasser aufspritzte, wenn die Spitze der Hacke sich in das Eis grub. In nur wenigen Minuten entstand so eine drei oder vier Meter durchmessende Eisplatte, die frei im Wasser schwamm. Dann kam der letzte Schliff: Nachdem er noch einmal kurz um sich geschaut hatte, umrundete er den Kreis und schob mit seinem Fuß Eissplitter in den Zwischenraum. Das Wasser würde natürlich wieder zufrieren, aber das Eis würde vor morgen früh nicht mehr sicher sein. Shukshin hatte seine Falle gestellt – nur wusste er nicht, dass sein anvisiertes Opfer ihn dabei beobachtet hatte!
    Harry konnte ein Zittern nicht unterdrücken, ein Beben in allen Gliedern, das wenig oder nichts mit der niedrigen Temperatur zu tun hatte, sondern mit dem Geisteszustand jener gebeugten Gestalt dort unten auf dem Eis zusammenhing. Das Fernglas war nicht stark genug, um sie nah genug heranzuholen, aber dennoch war sich Harry sicher, während des Hackens gesehen zu haben, wie Shukshins Gesicht von Zuckungen entstellt wurde. Die Fratze eines Wahnsinnigen, der aus irgendeinem Grund nach Harrys Leben trachtete – so wie er einst nach dem Leben seiner Mutter getrachtet und es schließlich genommen hatte.
    Harry wollte wissen, warum, und würde nicht ruhen, bis er die Antwort gefunden hatte. Und es gab nur einen Weg, sie zu bekommen.
    Physisch und psychisch erschöpft kehrte Viktor Shukshin in sein Haus zurück, und dennoch wusste er, dass seine Arbeit noch nicht beendet war. Auf dem ummauerten Hof schleifte er die Spitzhacke hinter sich her über die eisigen Fliesen und ließ sie einfach fallen, bevor er durch die offene Terrassentür in seinen Arbeitsraum trat. Mit hängendem Kopf und an den Seiten baumelnden Armen ging er zwei Schritte in den Raum – und erstarrte.
    Was war das? War Keogh schon hier? Das ganze Haus war mit seltsamen Energien angefüllt. Es stank nach ESP-Aura, seine Atmosphäre schien vor fremden Kräften zu vibrieren.
    Shukshin, in dem plötzliche Wut aufwallte, spürte eine Bewegung: Die Terrassentür schloss sich hinter ihm! Er wirbelte herum, und sein Unterkiefer klappte nach unten. »Wer ...? Was ...«, krächzte er.
    Zwei Männer standen dort, hatten in seinem eigenen Arbeitszimmer auf ihn gewartet; einer von ihnen hielt eine Pistole direkt auf Shukshins Herz gerichtet. Er erkannte die Waffe als russische Dienstpistole, und er spürte die kalte Emotionslosigkeit der beiden Männer; er fühlte, wie die Faust des Verderbens sich um ihn schloss. Irgendwie geschah es nicht ganz unerwartet. Aber dass es jetzt geschehen sollte, ausgerechnet in diesem verfluchten Moment.
    »Setzen Sie sich – Genosse«, sagte der Große und seine Stimme rieb wie eine

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