Auferstehung
herein.
»Was? Sie sind einer dieser Vampirjäger, Herr Dragosani? Aber das ist doch ein so trüber, morbider Haufen! Sie gehören doch nicht wirklich zu denen?«
»Nein, nein, natürlich nicht.« Dragosanis vorgetäuschtes Lächeln war jetzt auf seinem Gesicht erstarrt. »Ich wollte mir nur einen Spaß mit Ihrem Vater erlauben, das ist alles. Aber anscheinend ging mein Scherz nach hinten los.« Er stand auf.
»Wie?«, fragte Kinkovsi offensichtlich enttäuscht. »Sie möchten früh ins Bett, was? Ich nehme an, Sie sind noch müde. Schade, ich habe mich so darauf gefreut, mit Ihnen zu plaudern. Na, macht nichts, ich habe noch viel zu tun. Vielleicht morgen.«
»Wir werden sicher Zeit zum Reden finden, ganz gewiss«, sagte Dragosani, als er seinem Gastwirt zur Tür folgte.
»Ilse«, sagte Kinkovsi, »nimm dir eine Fackel und führe den Herrn ins Gästehaus, ja? Die Dämmerung ist schlimmer als die dunkelste Nacht, wenn man den Weg nicht kennt.«
Das Mädchen tat, wie ihr geheißen, und führte Dragosani über den Hof, durchs Tor und ins Gästehaus. Dort schaltete sie im Treppenhaus das Licht an. Bevor sie gute Nacht wünschte, sagte sie zu ihm: »Herr Dragosani, da ist ein Knopf neben Ihrem Bett. Wenn Sie nachts irgendetwas brauchen, können Sie ihn einfach drücken. Allerdings würden dann leider auch meine Eltern aufwachen. Besser wäre es, Sie würden halb Ihre Vorhänge öffnen, das könnte ich von meinem eigenen Fenster sehen ...«
»Was?«, fragte Dragosani, der den Begriffsstutzigen spielte, »mitten in der Nacht?«
Ilse ließ wenig Zweifel an ihren Absichten. »Ich schlafe nicht sehr gut«, sagte sie. »Mein Zimmer liegt im Erdgeschoss. Ich öffne gern mein Fenster, um die Nachtluft einzulassen. Manchmal gehe ich sogar im silbernen Mondlicht spazieren – meistens um ein Uhr.«
Dragosani nickte, erwiderte aber nichts. Sie stand ganz nahe bei ihm. Bevor sie die Situation weiter erörtern konnte, wandte er sich von ihr ab und eilte die Treppe hinauf. Er konnte ihren spöttischen Blick in seinem Rücken spüren, bis er auf dem ersten Absatz um die Ecke bog.
In seinem Zimmer schloss Dragosani rasch die Vorhänge vor dem Fenster, packte seine Koffer aus und ließ Badewasser ein. Das Wasser kam heiß aus dem Gasboiler und dampfte einladend. Er fügte Badesalz hinzu und zog sich aus.
Er lag in der Wanne, ließ sich einweichen und genoss die Hitze und das träge Strömen des Wassers, wenn er die Arme bewegte. Innerhalb kurzer Zeit nickte er mit dem Kinn auf der Brust ein, während das Wasser kälter wurde. Er rüttelte sich wach, stieg aus der Badewanne und bereitete sich zum Schlafengehen vor.
Es war erst zehn Uhr abends, als er unter die Decke schlüpfte, doch innerhalb von ein oder zwei Minuten war er fest eingeschlafen.
Kurz vor Mitternacht wachte er wieder auf und sah einen senkrechten und mehrere Zentimeter breiten Streifen Mondlicht ins Zimmer fallen, wo die Vorhänge nicht richtig geschlossen waren. Er erinnerte sich daran, was Ilse Kinkovsi gesagt hatte, stand auf, nahm eine Sicherheitsnadel und schloss damit die beiden Vorhänge vor dem Fenster. Er wünschte sich halb, dass es hätte anders sein können, doch das ging leider nicht.
Nicht, dass er Frauen hasste oder sich vor ihnen fürchtete, keineswegs. Er konnte sie nur nicht verstehen, und da er so viele andere Dinge zu tun hatte – so viel zu lernen und zu verstehen –, konnte er einfach keine Zeit mit zweifelhaften oder unbekannten Vergnügungen verschwenden. Das sagte er sich zumindest. Jedenfalls waren seine Bedürfnisse anders als die anderer Männer, und seine Gefühle weniger flüchtig. Außer, wenn sie das sein mussten. Aber was ihm an gewöhnlicher Sinnlichkeit fehlte, wurde von seiner ungewöhnlichen Empfindungsfähigkeit mehr als wettgemacht. Auch wenn das jedem, der seine Arbeit kannte, widersprüchlich erscheinen musste.
Es gab so unermesslich viele Dinge, die er lernen oder wenigstens zu begreifen versuchen musste. Borowitz war zufrieden mit ihm, so wie er war, er selbst jedoch nicht. Er empfand sein Talent im Augenblick als eindimensional. Es mangelte ihm an wirklicher Tiefe. Doch er würde die größte Tiefe erreichen, eine Tiefe, die seit einem halben Jahrtausend unerforscht war! Dort draußen in der Nacht lauerte einer, der einzigartige Geheimnisse hütete, einer, der im Leben über ungeheuerliche Zauberkräfte verfügt hatte und selbst im Tod noch untot war. Und dort lag für Dragosani der Quell allen Wissens. Erst, wenn
Weitere Kostenlose Bücher