Auferstehung
sie leicht trunken, wobei sie ganz dumm und widerlich aussah, bewegte sich auf ihn zu und streckte die Arme nach ihm aus.
Als sie dann sah, dass er völlig angezogen war, und zum ersten Mal den merkwürdigen Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkte, hielt sie sich die Hand vor den Mund. »Boris, ich ...«
»Tante«, er schwang die Beine aus dem Bett und glitt mit den Füßen in die Schuhe, »du verlässt jetzt bitte dieses Zimmer und bleibst auch draußen. Wenn nicht, dann werde ich gehen, und wenn die Tür unten zugesperrt ist, schlage ich ein Fenster ein. Dann werde ich sobald wie möglich meinem Stiefvater genauestens berichten, was in diesem Haus vor sich geht, und ...«
»Vor sich geht?« Sie wurde jetzt rasch wieder nüchtern und sah besorgt aus. Sie versuchte, nach seiner Hand zu greifen.
»Ich meine die Männer, die herkommen, um dich und meine Cousinen zu ficken – wie die großen Bullen, die die Kühe meines Stiefvaters bespringen!«
»Also du ...« Sie wich von ihm zurück, und ihre Augen leuchteten wild in ihrem Gesicht, das plötzlich alle Farbe verloren hatte. »Du hast zugeschaut!«
»Raus hier!«, schnauzte Boris sie mit einem vernichtenden Blick an, den er von jenem Tage an oft im Umgang mit Frauen benutzte, und versuchte, sie aus der Tür zu drängen.
Da verengten ihre Augen sich zu Schlitzen, und sie spie ihn an. »So ist das also, wie? Die großen Jungs auf der Schule haben es dir schon besorgt, stimmt’s? Sie gefallen dir besser als die Mädchen, habe ich recht?«
Boris lief aufs Fenster zu und hob einen Stuhl hoch. »Mach schon!«, keifte er. »Raus! Oder ich gehe sofort. Und ich werde es nicht nur meinem Vater sagen, sondern jedem Polizisten, den ich auf dem Weg nach Bukarest treffe. Ich erzähle ihnen von deiner Bibliothek mit den schmutzigen Büchern – was allein vielleicht schon für eine Haftstrafe reicht –, und von deinen Töchtern, die noch kleine Mädchen sind, aber schon schlimmer als Nutten ...«
»Nutten?«, fiel sie ihm zischend ins Wort, sodass er glaubte, sie würde sich auf ihn stürzen.
»– wenn auch nicht halb so verdorben wie du!«, beendete er den Satz.
Da brach sie zusammen, verströmte Tränen und ließ sich ohne weiteren Widerstand aus dem Zimmer schieben. Und für den Rest der Nacht schlief Boris tief und völlig ungestört.
Damit hatte sich das erledigt. Am nächsten Mittag, als Boris still und allein sein Essen genoss, kam sein Stiefvater, um ihn abzuholen. Die Probleme mit den Tieren waren vorüber, und die Sache sei ohnehin nicht so ernst gewesen, Gott sei Dank! Niemals zuvor hatte Boris sich derart gefreut, jemanden zu sehen, und er musste schwer mit sich kämpfen, um es nicht allzu sehr zu zeigen.
Während Boris seine Sachen packte, sprach Tante Hildegard eine halbe Stunde herzlich, wenn auch vorsichtig mit ihrem Bruder. Dieser erkundigte sich nach seinen Nichten, die nicht im Haus waren.
Dann machten Boris und sein Stiefvater sich nach einem kurzen Abschied auf die Rückfahrt aufs Land.
Als sie am Tor ins Auto stiegen, war es Tante Hildegard gelungen, mit Boris Blickkontakt aufzunehmen. Ihr Blick war eine Sekunde lang flehend, bevor sie ihnen zum Abschied winkte. Ihre Augen bettelten um sein Schweigen. Als Antwort darauf zeigte er ihr noch einmal jenen höhnischen Blick, der weitaus schlimmer war als jede Drohung und mehr darüber sagte, was er von ihr hielt, als tausend Worte je vermocht hätten.
Jedenfalls hatte er nie irgendjemandem von diesem schrecklichen Besuch erzählt. Und das würde er auch nie, nicht einmal dem Ding in der Erde.
Das Ding in der Erde ... der alte Teufel ... der Vampir. Er wartete bereits (was sonst konnte er schon tun?), als Dragosani kurz vor Anbruch der Nacht mit einem weiteren Ferkel im Sack das finstere Grab erreichte. Er war wach und zornig. Er lag unter der Erde und schäumte vor Wut. Als der Rand der Sonne den Rand der Welt berührte und den Horizont in Blut verwandelte, ergriff er als Erster das Wort.
Dragosani? Ich kann dich riechen, Dragosani! Bist du gekommen, um mich erneut zu quälen? Mit mehr Fragen und Forderungen? Willst du meine Geheimnisse stehlen, Dragosani? Nach und nach, Stück für Stück, bis nichts mehr von mir übrig ist? Und was dann? Wenn ich dann in der kalten Erde liege, womit wirst du mich entlohnen? Mit dem Blut eines Schweins? Aha! Ich hatte also recht. Noch ein Ferkel – für einen, der badete im Blut von Männern, Jungfrauen und ganzen Armeen! Immer wieder!
»Blut ist Blut, alter
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