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Auferstehung 4. Band (German Edition)

Auferstehung 4. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 4. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Kaiserlichen Majestät, Begnadigungskommission. Auf Befehl Seiner Kaiserlichen Majestät wird die p. p. Katharina Maslow benachrichtigt, daß Seine Kaiserliche Majestät von ihrem Gesuche Kenntnis genommen und geruht haben, die ihr zuerkannte Strafe von vier Jahren Zwangsarbeit in vier Jahre Verschickung in irgend ein Gouvernement an der Grenze von Sibirien umzuwandeln.«
    Glückliche, glückliche Nachricht! Damit ging alles in Erfüllung, was Nechludoff für Katuscha und für sich selbst wünschen konnte. Doch er dachte dann daran, daß diese Veränderung in Katuschas Lage auch die Bedingungen seiner Beziehungen zu ihr umgestalten würde. So lange sie zur Zwangsarbeit verurteilt blieb, so lange war die Ehe, die er mit ihr einzugehen gedachte, eine rein fiktive Verbindung und hatte nur dadurch Bedeutung, daß sie das Schicksal der Verurteilten linderte. Doch jetzt wurde die Ehe etwas Ernsthafteres, jetzt hinderte Nechludoff und Katuscha nichts mehr, das gemeinsame Leben zu führen, wie es Mann und Frau führen sollen. Und Nechludoff fühlte sich bei diesem Gedanken wieder von seiner früheren Angst ergriffen. Er fragte sich ängstlich, ob er auf dieses gemeinsame Leben auch vorbereitet wäre, und er mußte sich selbst die Antwort geben, daß er es durchaus nicht war.
    Dann kamen ihm Katuschas Beziehungen mit Simonson wieder in den Sinn. Was bedeuteten die Worte, die sie ihm am vorigen Tage gesagt? Und wenn sie wirklich einwilligte, sich mit Simonson zu verheiraten, war diese Heirat ein Glück für sie? Würde sie für ihn, für Nechludoff, ein Glück sein?
    Alle diese Fragen drängten sich in seinem Hirne, und er wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Deshalb nahm er wieder einmal zu seinem gewöhnlichen Verfahren seine Zuflucht. »Ich werde das alles später entscheiden,« sagte er sich; »jetzt muß ich vor allem Katuscha wiederzusehen suchen, ihr die glückliche Nachricht mitteilen und die Formalitäten ihrer Freilassung beschleunigen.«
    Die Kopie, die ihm Selenin geschickt, genügte dazu zweifellos, bis die öffentliche Bekanntmachung des Dekretes eintraf.
    Nechludoff verließ das Polizeibureau und fuhr nach dem Gefängnis, in welchem die Mitglieder des Transportes sicherlich untergebracht waren.

Zweiundzwanzigstes Kapitel
    Obwohl ihm der Gouverneur den Eintritt in das Gefängnis ausdrücklich untersagt hatte, wußte Nechludoff aus Erfahrung, daß man das, was man bei den oberen Behörden nicht durchsetzen konnte, bei den unteren Organen dagegen ohne allzu große Mühe erlangte. Deshalb hoffte er auch, der Gefängnisdirektor würde ihm die Erlaubnis erteilen, bis zur Maslow vorzudringen, um sie von der Bewilligung ihres Gnadengesuches zu unterrichten. Er hoffte gleichzeitig, sich nach der Gesundheit Krülzoffs erkundigen und ihm, sowie Maria Pawlowna das Resultat seiner Unterredung mit dem Gouverneur mitteilen zu können.
    Der Direktor des Gefängnisses war ein großer, vierschrötiger Mann, mit imposantem Gesicht und langem Schnurr- und Vollbart. Er empfing Nechludoff äußerst streng und erklärte ihm sofort, der Zutritt für fremde Personen zu den Gefangenen wäre nur mit Erlaubnis des Gouverneurs möglich; und als Nechludoff ihm sagte, man hätte ihm sogar in den großen Städten, auf der Reise des Zuges bei den Gefangenen eingelassen, entgegnete der Direktor in trockenem Tone:
    »Das ist schon möglich, aber ich kann Sie nicht hineinlassen.«
    Dabei bedeutete sein Ton klar und deutlich:
    »Ihr Herren aus der Hauptstadt bildet euch ein, ihr könntet uns in Erstaunen oder Verlegenheit setzen; aber nein, in Sibirien werden wir euch schon zeigen, daß wir die Vorschriften genügend kennen, um sie euch im Notfall ins Gedächtnis zurückrufen zu können.«
    Nechludoff überreichte ihm die Ausfertigung des Dekrets, in welchem die Begnadigung der Maslow ausgesprochen war; und auch das machte nicht den geringsten Eindruck auf diesen schrecklichen Menschen. Er weigerte sich nicht nur hartnäckig, Nechludoff die Thore des Gefängnisses überschreiten zu lassen, sondern er wollte ihm auch nicht einmal sagen, ob der Zug schon angelangt wäre. Als Nechludoff ihn naiver Weise fragte, ob die Kopie, die er eben erhalten, zur Freilassung der Maslow genügte, lächelte er bei dieser Frage so verächtlich, daß Nechludoff sich seiner Naivetät schämte. Der Direktor war indessen so gefällig, ihm zu versprechen, er würde der Maslow von der Annahme ihres Gnadengesuches Mitteilung machen; er fügte sogar als Zeichen

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