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Aufgelaufen

Aufgelaufen

Titel: Aufgelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koehn
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die Polizei kam.
    „Kommen Sie, wir müssen ein Protokoll machen.”
    Dann war er vier Monate weg.
    „Sie bleiben bis zur Hauptverhandlung auf freiem Fuß”, beschloss der Richter beim Haftprüfungstermin.
    Sein Anwalt: „Sie dürfen die Stadt nicht verlassen!”
    „Geht klar.”
    Effie verbrauchte ihre Lebenszeit in der Psychiatrie, in der Nähe von Hamburg.
    „Warum da?”, fragte er den Anwalt.
    „Sie hat dort eine Schwester. Und irgendwer musste sich um sie kü m mern.”
    „Ja, ist schon gut.”
    Er fuhr nach Hamburg.
     
    Sie lag im Bett. Ihr Gesicht grau, ihr Geist abwesend.
    „Effie, ich bin’s!” Nichts war, nur Stille, als ob jemand den Stecker zum Leben gezogen hätte.
    „Ich werde sie woanders hinbringen”, sagte er dem Arzt.
    „Ja, ja, das haben wir schon öfter gehört.”
    Nach einer Woche Hamburg war er fast pleite. Er sparte am Essen. Zum Schlafen, drei Mark die Nacht, ging er ins Pik Ass, einer Institution für Penner, Trinker, Obdachlose. Nach fünf weiteren Besuchen bei Effie, Nächten im Pik Ass, wurde er verhaftet. U-Haft Hamburg, Holstenglacis, seine Anschrift für zwei Monate. Drei Beamte aus Berlin holten ihn zum Gerichtstermin. Im Flugzeug nahmen sie ihm die Acht ab.
    „Falls wir abstürzen ...”
    U-Haft Moabit.
    Drei Tage dauerte die Gerichtsverhandlung.
    „Notwehr – Freispruch!”, beantragte sein Anwalt.
    „Mord!”, grölte der Staatsanwalt.
    „Frau Effie könnte bezeugen ...”
    „Sie kann aber nicht!”
    „Aber wenn sie zu sich kommt ...”
    „Totschlag, drei Jahre. Das Urteil wird wie folgend begründet ...”
    Er wollte in Effies Nähe sein, nach Hamburg verlegt werden. Monate stritten zahnlose Tiger um die Beute. Endlich!
    „Den Flug und die Kosten für die Überführung nach Hamburg hat der Antragsteller zu tragen.“
    „Wie denn?”
    „Sie haben geerbt, Ihren Vater beerbt!”, erklärte ihm der Urkundsbea m te.
    „Wie viel?”
    Die Frage blieb offen. Aber für Flug und zwei Mann Begleitpersonal reichte es.
    „Sollen wir für die Fahrt nach Fuhlsbüttel ein Taxi nehme n, oder wollen Sie mit der Straßenbahn ... ”
    „Taxi!”
    „Immer nobel, der Herr!”
    Monate in hohen Mauern. Tage mit Gelblicht und stumpfen Gesichtern. Das Hirn leer, tränenloses Heulen. Schritte im Kreis. Nächte, die sich dehnten wie die Bandnudeln zweimal die Woche. Von Effie – auf seine Briefe – nichts. Fruchtlos die Gebete. Plötzlich kam was in Gang.
    „Sie können in den halboffenen Vollzug. Wollen Sie?”
    Was für eine Frage ...
    „Mit Ausgang und so ?”
    „Klar.”
    „Ja, ich will!” Es klang wie ein Eheversprechen, so fest und wollend.
    „Dann packen Sie schon mal . Morgen geht’s ab.”
    „Wohin?”
    „Ins Moor!”
    „Wohin?”
    „Na ins Moor, Richtung Bremen.”
    „Bremen?”
    „Torfstechen!”
     
    Drei Holzbaracken für je 20 Mann standen in karger Landschaft. An die fünfundzwanzig Wachmänner im Dreischichtdienst. Der Torf schmutzig braun und faulig feucht, mancher trocken wie altes Papier, bröckelig. Die Bäume, das Gestrüpp über dem Torf, schwächlich. Weit entfernt der Hor i zont, versteckt hinter nebligem Himmel.
    Die Arbeit war schwer. Doch er gewöhnte sich schnell ein. Trotzdem, die Tage machten nervös. Er dachte an Effie, dabei sollte er aufpassen bei der schweren Arbeit, manch einer hatte hier schon endgültigen Frieden gefunden. Die überdimensionierten Nächte umspülten ihn salzig und machten still. Die Wochenenden waren arbeitsfrei. Wer keinen Ausgang erhielt, resignierte schon nach Stunden am Dasein; dann störte schon das Auf und Ab von Schritten, die fremden Stimmen, das Sirren vom Wind, der Geruch von Torf. Wer wollte, konnte sich was kochen. Ein Bollerofen stand im Raum.
    „Torf ist als Heizmaterial unübertroffen“, erzählte ihm der alte Wärter Hugo gleich zu Anfang. Torf war hier manchem alles, Menschen zählten weniger. Hugo war anders. Wenn ihm erstmals Ausgang zustand, wollte er zu ihr. Es waren zwar neunzig Kilometer und wie er das schaffen wü r de, wusste er nicht, doch es wird, glaubte er. Als es endlich soweit war, nahm ihn Hugo, der Nachtschicht hatte, mit in die Stadt.
    „Von da geht ein Zug nach Hamburg. Denk daran, Sonntagabend fährt der nicht!“
    Was kümmerte ihn das – im Moment.
     
    Sie lag wie unberührt. Und sie roch, wie er feststellen musste. Er wusch, kämmte, küsste sie ...
    „Ich hole dich hier raus“, sagte er zum Abschied. Er wusste auch wie. Vom Erbe war noch was über, damit könnte

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