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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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nützen. Sie sind wirklich völlig unleserlich. Ich glaube, mir bleibt nur, die ganze Arbeit noch einmal zu machen. Die Setzer werden sich die Haare raufen, die Ärmsten.
    Mit dem größten Teil davon werde ich wohl keine allzu großen Schwierigkeiten haben, hoffe ich. Und meine Notizen für die Einleitung habe ich noch, also ist es gar nicht so schlimm, wie es hätte werden können. Am meisten schmerzt der Verlust einer ganzen Anzahl von Fußnoten und zweier Anhänge, die ich im letzten Moment noch einfügen mußte, um ein paar in meinen Augen sehr unbedachte Behauptungen in Mr. Elkbottoms neuem Buch über Moderne Versform zu widerlegen. Dummerweise habe ich die auf die leeren Stellen der Korrekturbögen geschrieben, so daß sie jetzt unwiederbringlich fort sind. Ich muß also die ganzen Verweisstellen noch einmal bei Elkbottom nachschlagen. Das ist so ärgerlich, zumal doch unsereiner zum Trimesterende immer so viel zu tun hat. Aber schließlich ist das alles meine eigene Schuld, weil ich mir nicht immer alles notiere, wie es richtig wäre.»
    «Ich überlege gerade», sagte Harriet, «ob ich Ihnen nicht helfen könnte, den Text wieder zusammenzustellen. Ich bleibe gern eine Woche hier, wenn ich mich auf diese Weise nützlich machen kann. Ich bin es nämlich gewöhnt, mit Korrekturfahnen zu jonglieren, und glaube, daß ich mich gut genug an meine Examensarbeiten erinnern kann, um mit Angelsächsisch und Altenglisch noch einigermaßen vertraut zu sein.»
    «Das wäre mir eine gewaltige Hilfe!» rief Miss Lydgate und strahlte übers ganze Gesicht. «Aber das hieße doch, Ihre Zeit allzu unverschämt in Anspruch zu nehmen!»
    Harriet verneinte. Sie sei mit ihrer eigenen Arbeit weit voraus und werde es richtig genießen, sich eine Weile mit englischer Prosodie zu befassen, ihr Hintergedanke dabei war, daß die Arbeit an Miss Lydgates Korrekturbögen einen sehr gelegenen Vorwand für ihre Anwesenheit im College darstellen könnte, wenn sie hier wirklich eine Untersuchung anstellen wollte.
    Bei diesem Vorschlag blieb es vorerst. Was den Urheber des Aufruhrs anging, konnte Miss Lydgate auch nicht mit einer Vermutung aufwarten, außer daß die arme Kreatur, wer es auch sein mochte, wirr im Kopf sein müsse.
    Als Harriet Miss Lydgates Zimmer verließ, begegnete sie Miss Hillyard, die die Treppe von ihrem Appartement herunterkam.
    «Nun?» fragte Miss Hillyard. «Wie stehen die Ermittlungen? Aber das dürfte ich wohl nicht fragen. Es ist Ihnen voll gelungen, den Apfel der Zwietracht zwischen uns zu werfen. Aber da Sie ja so geübt im Empfangen anonymer Schmutzbriefe sind, dürften Sie wohl die geeignetste Person sein, um mit der Situation fertig zu werden.»
    «In meinem Falle», sagte Harriet, «habe ich nur bekommen, was bis zu einem gewissen Grade verdient war. Aber das hier ist etwas völlig anderes. Es ist ganz und gar nicht das gleiche Problem. Miss Lydgates Buch konnte niemanden kränken.»
    «Abgesehen von den Männern, deren Theorien sie angegriffen hat», erwiderte Miss Hillyard. «Aber die Umstände scheinen nun einmal das starke Geschlecht aus dem Kreis der Verdächtigen auszuschließen. Sonst ließe dieser massierte Angriff auf ein Frauencollege mich die übliche männliche Gehässigkeit gegen studierte Frauen vermuten. Aber das würden Sie natürlich für lächerlich halten.»
    «Nicht im mindesten. Viele Männer sind sehr gehässig. Aber es laufen doch sicher keine Männer bei Nacht hier im College herum.»
    «Da wäre ich nicht so sicher», meinte Miss Hillyard mit sarkastischem Lächeln. «Ich finde es absolut lächerlich, wenn die Quästorin von unsern verschlossenen Toren spricht. Was sollte einen Mann daran hindern, sich auf dem Gelände zu verstecken, bevor die Tore geschlossen werden, und sich wieder aus dem Staub zu machen, wenn sie morgens geöffnet werden? Oder gleich über die Mauer zu klettern?»
    Harriet hielt diese Theorie für weit hergeholt; aber sie interessierte sie als Indiz für die Voreingenommenheit der Sprecherin, die schon fast Besessenheit war.
    «Was in meinen Augen auf einen Mann weist», fuhr Miss Hillyard fort, «ist die Vernichtung von Miss Bartons Buch, das sehr profeministisch ist. Ich nehme nicht an, daß Sie es gelesen haben; wahrscheinlich würde es Sie nicht interessieren. Aber aus welchem Grunde sonst wäre die Wahl gerade auf dieses Buch gefallen?»
    Harriet verabschiedete sich von Miss Hillyard an der Ecke des Hofs und ging zum Tudor-Bau hinüber. Sie konnte sich gut

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