Aufstand der Alten
dir keine Sorgen. Ich habe Vorräte im Boot verstaut, und dann haben wir noch die mitgebrachten Lebensmittel.«
»Du bist ein schlauer Bursche«, krächzte Towin. »Du hättest Jim Mole erschießen und in Sparcot den Befehl übernehmen sollen, Mann. Die Leute hätten dich unterstützt.«
Graubart antwortete nicht.
Als eine Brücke in Sicht kam, hoben sie die Riemen aus dem Wasser und ließen sich darauf zu treiben. Es war eine stabile Betonbrücke mit hohem Bogen und mächtigen Pfeilern. Sie landeten und Graubart nahm sein Gewehr.
»In der Nähe einer Brücke müßte es Häuser geben«, sagte er. »Bleibt hier, während ich mich umsehe.«
»Ich komme mit«, erklärte Charley. »Isaac kann im Boot bleiben.« Er gab Martha die Leine, und die Frau streichelte und liebkoste den Fuchs, der seinem Herrn nachspringen wollte. Die beiden Männer kletterten die Böschung hinauf und kauerten sich vorsichtig hinter welke Stauden.
Eine überreife Wintersonne schien durch kahle Äste, alles andere war in Grautönen gemalt. Weißliche Dunstschleier hingen tief über dem Land. Hinter der mit Laub und dürren Zweigen bedeckten Asphaltstraße, die über die Brücke nach Süden führte, stand ein großes Gebäude. Es schien auf dem Dunst zu schwimmen, ohne den Boden zu berühren. Mit seinen hohen Schornsteinen stand es leblos und alt und doch drohend da. Die Sonne spiegelte sich in einem der oberen Fenster und stattete es so mit einem stumpf glühenden Auge aus. Als sich außer einem Schwarm Krähen, der mit mattem Flügelschlag über den grauen Himmel zog, nichts bewegte, erhoben sich die beiden Männer und stapften über die Straße zu einer ausgewucherten Buchsbaumhecke.
»Sieht wie eine ehemalige Gastwirtschaft aus«, mutmaßte Charley. »Kein Lebenszeichen. Verlassen, würde ich sagen.«
Als er sprach, hörten sie hinter der Hecke ein Husten. Sie duckten sich und spähten über das Feld hinaus, das sich jenseits der Hecke zum Fluß hinunterzog. Obwohl es in Nebel getaucht war, deutete die Abwesenheit von hoher Vegetation auf die Gegenwart wiederkäuenden Lebens hin. Das Husten wiederholte sich.
Graubart streckte wortlos den Arm aus. In der Ecke des Feldes, die dem Haus am nächsten war, stand ein offener Schuppen. Unter seinem überhängenden Dach drängten sich vier oder fünf Schafe.
»Ich dachte, Schafe wären schon lange ausgestorben«, stieß Charley hervor.
»Es bedeutet, daß jemand im Haus ist.«
»Wir wollen keinen Streit. Laß uns weiterfahren. Wir haben noch eine Stunde Tageslicht.«
»Nein, wir sehen uns das Haus näher an. Die Bewohner sind isoliert; vielleicht freuen sie sich über unsere Gesellschaft, wenn wir sie überzeugen können, daß wir als Freunde kommen.«
Sie näherten sich dem stillen Gebäude mit dem Gefühl, daß ein oder mehr Gewehre jeder ihrer Bewegungen folgten. Ohne ihre Augen von den blinden Fenstern abzuwenden, gingen sie auf das Haus zu. Nicht weit vom Eingang entfernt stand ein Personenwagen von entmutigendem Aussehen. Der Lack war stumpf und rissig, die Felgen mit den luftleeren Reifen in den Boden eingesunken. Sie rannten darauf zu und beobachteten das Haus von ihrer neuen Deckung aus. Noch immer kein Zeichen von Leben. Sie sahen, daß die meisten Fenster mit Brettern vernagelt waren.
»Ist jemand da?« rief Graubart.
Keine Antwort.
Wie Charley vermutet hatte, war es eine Gastwirtschaft. Das alte Namensschild war von der Wand gefallen und verrottete auf den ausgetretenen Stufen vor dem Eingang. An einem der Parterrefenster lasen sie die eingeätzte Inschrift BIERE. Graubart rief noch einmal. Wieder blieb er ohne Antwort.
Er stand auf. »Wir versuchen es am Hintereingang.«
»Glaubst du nicht, wir sollten lieber eine Nacht im Boot verbringen?«
»Es wird eine kalte Nacht. Versuchen wir es auf der anderen Seite.«
Hinter dem Haus führte ein ausgetretener Pfad zum Schafstall. Graubart drückte sich mit schußbereitem Gewehr an die feuchte Ziegelmauer und rief wieder. Niemand antwortete. Graubart schob sich weiter vor und warf einen schnellen Blick ins nächste Fenster. Drinnen saß ein Mann an einem Tisch und sah ihn an.
Graubart wich zurück und prallte gegen Charley. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Als er den Schock überwunden hatte, schlug er mit dem Gewehrlauf an einen Fensterladen.
»He!« rief er. »Wir sind Freunde.« Stille.
»Wir sind Freunde, du Bastard!« Diesmal schlug er die Scheibe ein. Das Glas splitterte und klirrte, dann wurde es wieder still.
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