Aufstand der Alten
Die beiden Männer sahen einander an.
»Er muß krank oder tot sein, oder was«, murmelte Charley, sprang geduckt unter dem Fenster vorbei und erreichte die Hintertür. Er drückte die Klinke und warf sich gleichzeitig mit der Schulter gegen die verwitterten Bretter. Die Tür gab nach, und er stürzte hinein. Graubart folgte ihm vorsichtig.
Das Gesicht des sitzenden Mannes war so grau wie das Tageslicht, in das er so unverwandt hinausstarrte. Sein Mund stand halb offen und war verzerrt. Er saß fast aufrecht auf einem alten Küchenstuhl vor dem Spülbecken. In seinem Schoß lag ein kleiner Blechkanister mit einem Schädlingsbekämpfungsmittel.
Charley bekreuzigte sich. »Möge er in Frieden ruhen.«
Graubart nahm den Kanister, roch daran und warf ihn aus dem Fenster. »Warum hat er sich umgebracht? An Nahrungsmangel kann es nicht gelegen haben, denn seine Schafe sind noch draußen. Wir müssen das Haus durchsuchen, Charley. Vielleicht ist noch jemand da.«
Oben, in einem Zimmer, das von den letzten Strahlen der Sonne in rötliches Licht getaucht war, fanden sie die Frau, ein hautüberzogenes Gerippe unter den Decken. In einem Kochtopf neben ihrem Bett war etwas, das einmal Suppe gewesen sein mochte. Sie war einer Krankheit erlegen, soviel war deutlich. Daß sie länger tot war als der Mann in der Küche, war ebenso offenkundig, denn der Verwesungsgeruch hing dick im Raum.
»Wahrscheinlich Krebs«, sagte Graubart. »Als sie tot war, hatte ihr Mann keinen Grund mehr, noch länger am Leben zu bleiben.« Er mußte die Stille brechen, obwohl das Atmen in dem stinkenden Raum Schwierigkeiten machte. Er raffte sich auf. »Komm, wir bringen die beiden hinaus und legen sie hinter die Büsche. Dann können wir hier übernachten.«
»Wir müssen sie beerdigen, Algy.«
»Das kostet zu viel Kraft. Seien wir dankbar, daß wir so schnell einen sicheren Ort gefunden haben.«
Zusammen machten sie sich an die traurige Arbeit. Der Schuppen am Feldrand erwies sich als das beste Versteck in der Nähe.
Sie ließen die Toten dort, während die Schafe – es waren sechs – zuschauten. Sie sorgten dafür, daß die Schafe Wasser bekamen öffneten ein paar Fenster, um das Haus durchzulüften, und kehrten zum Fluß zurück. Nachdem sie das Boot fest vertäut hatten zogen sie alle mit ihrem Gepäck ins Haus.
In den Kellern, wo einmal Bierfässer gelagert hatten, fanden sie ein Stück Räucherfleisch an einem Haken, wo die Ratten es nicht erreichen konnten. Sie suchten weiter und fanden eine Lampe, die ausgelassenes Schafsfett enthielt und mörderisch qualmte und stank, aber gut brannte. Und Towin fand in einem Verschlag unter der Treppe versteckt fünf Flaschen Gin.
»Das ist genau, was ich für meinen Rheumatismus brauche«, krähte er glücklich und öffnete eine Flasche. Er schnüffelte gierig, dann setzte er sie an die Lippen.
Die Frauen machten Feuer im Küchenherd und bereiteten eine Mahlzeit aus der geräucherten Hammellende. Allmählich wurde es warm in der Küche, und als sie gegessen und die zweite Flasche Gin geleert hatten, begaben sie sich zufrieden und zuversichtlich zur Ruhe.
Martha und Graubart bereiteten sich ihr Lager in einem kleinen Zimmer im Erdgeschoß. Da vieles darauf hindeutete, daß das tote Paar nicht in einem Belagerungszustand gelebt hatte, sah Graubart keinen Grund, Wache zu halten. Unter Big Jim Moles Regime waren die Vorsichtsmaßregeln zu einem allgemeinen Trauma ausgeartet, und Graubart sagte sich, daß es mit jedem Jahr weniger Grund gebe, sich vor den Mitmenschen zu fürchten. Und außerdem schien dieses Haus weit von der nächsten Ansiedlung entfernt zu sein ...
Trotzdem fand er keine Ruhe. Er hatte den anderen nichts gesagt, aber vor der Abreise hatte er in dem überdeckten Raum unter dem Bootsheck herumgefühlt, um die zwei Bajonette herauszuholen, die er dort verwahrte, er hatte Towin und Charley damit bewaffnen wollen. Aber die Bajonette hatten gefehlt, zusammen mit anderen Gegenständen, die dort untergebracht gewesen waren. Dieser Verlust konnte nur eins bedeuten: Jemand anderer hatte vom Versteck seines Bootes gewußt.
Als Martha eingeschlafen war, stand er auf. Der Mond erhellte das Zimmer. Graubart stand da und ließ seine Gedanken wandern. Schließlich fiel sein Blick auf eine alte Kommode. Müßig öffnete er eine der Schubladen und schaute hinein. Sie enthielt Familienandenken, eine zerbrochene Taschenuhr, ein paar Bleistiftstummel und eine leere Tintenflasche. Mit dem Gefühl,
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