Aufstand der Alten
hielt das Kind fest an sich gedrückt und spähte durch die Weidenzweige in den Fluß. Um eine Wurzel gewickelt und leise von der Strömung bewegt, war etwas Helles, das eine vage Ähnlichkeit mit einem menschlichen Gesicht hatte. Es war eine Zeitung.
Geduldig brachte Venice die Kleine dazu, selbst hinzusehen und ihren Irrtum zur erkennen. Trotzdem weinte das Mädchen weiter, denn die Form des bewegten Papiers hatte etwas Bedrohliches.
»Nun lauf nach Haus«, sagte Venice. »Algy kann nicht weit sein. Ich werde ihn bald finden, und dann könnt ihr wieder miteinander spielen.«
Die Kleine sah ihr mit großen, schwimmenden Augen ins Gesicht, nickte und wirbelte herum, um zu der Lücke im Gartenzaun zu rennen. Venice kehrte zum Haus zurück. Patricia Timberlane kam gerade in Begleitung zweier Männer in den Garten. Einer der beiden war ihr Mann Arthur. Sie hatte ihn untergehakt, aber der andere war es, dem ihre Aufmerksamkeit und ihre häufigsten Blicke galten. Keith Barratt, Arthur Timberlanes Gesellschafter, war ein ansehnlicher Mann mit einem zu schwachen Kinn und unordentlich zurückgekämmten lohfarbenen Haaren. Keith war nur fünf Jahre jünger als Arthur, aber seine Art, sich zu geben – besonders, wenn Pat in der Nähe war, dachte Venice hämisch –, war viel jugendlicher, und er kleidete sich elegant.
Venice begrüßte sie und sah einen Blick zwischen Keith und Patricia hin und her gehen, der ihr zeigte, daß der Konflikt näher war, als sie gedacht hatte.
»Venice findet das Haus schon, Arthur«, sagte Patricia.
»Ich fürchte die Feuchtigkeit, wo der Fluß so nahe ist«, sagte Arthur zu Venice. Er versenkte die Hände in die Hosentaschen und blickte zum Fluß hinunter, als erwartete er, das Ansteigen des Wassers zu sehen. Wie mit einem Widerwillen wendete er ihr den Kopf zu und fragte: »Kommt Edgar heute abend zurück? Gut. Warum schaut ihr nicht auf ein Gläschen bei ums herein? Ich würde gern hören, was er über die Lage in Australien zu berichten hat. Es sieht alles sehr düster aus, sehr düster.«
»Art, du bist ein alter Pessimist!« sagte Keith lachend. »Warte, bis du den Marktforschungsbericht bekommst und siehst, ob die anderen nicht alle genauso schlecht dran sind. Das Weihnachtsgeschäft wird dem Handel neuen Aufschwung geben.« Für Venice fügte er erläuternd hinzu: »Wir haben Moxan, die Marktforschungsfirma, beauftragt, herauszufinden, worauf die gegenwärtige Absatzflaute zurückzuführen ist; die Analyse müßte morgen eingehen.«
»Der Bericht hätte schon heute vorliegen müssen«, sagte Arthur. Er stand mit den Händen in den Taschen, die Schultern eingezogen, und blickte zum Himmel. »Die Nachmittage haben schon einen Hauch vom Herbst. Wo ist Algy, Pat? Laß uns heimfahren.«
»Ich möchte, daß du dir noch den Boiler ansiehst, bevor wir gehen, Liebling«, sagte Patricia.
»Über den Boiler können wir später reden. Wo ist Algy? Der Junge ist nie da, wenn man ihn braucht.«
»Er versteckt sich irgendwo«, sagte Venice. »Er hat mit dem kleinen Mädchen von nebenan gespielt. Warum sucht ihr nicht nach ihm? Ich muß jetzt wirklich los, oder ich bin nicht fertig, wenn Edgar kommt. Keith, sei so nett und nimm mich mit, ja? Es liegt beinahe auf deinem Weg.«
»Aber mit Vergnügen«, sagte Keith und gab sich Mühe, so auszusehen, als meinte er es. Sie verabschiedeten sich und gingen zur Straße.
Zwischen Arthur und Patricia wurde es still, und um das Schweigen zu beenden sagte er unwillig: »Also, suchen wir das Kind, wenn es schon sein muß. Vielleicht ist er unten im Gartenhaus. Warum hast du ihn nicht im Auge behalten?«
Sie ignorierte die Eröffnung zu einem Streit – von allen ihren Tricks ärgerte ihn dieser am meisten – und sagte, während sie sich dem Garten zuwendeten: »Die Vorbesitzer haben diesen Garten zu einer Wildnis werden lassen. Hier gibt es mehr Arbeit, als du allein bewältigen kannst. Wir werden einen Gärtner bestellen müssen. Diese Buschreihe muß weg, und wir lassen vielleicht nur die Zierkirsche stehen.«
»Wir haben das Haus noch nicht gekauft«, sagte Arthur mürrisch. Sein Widerwillen, ihr eine Enttäuschung zu bereiten, machte seinen Tonfall verdrießlicher, als er beabsichtigt hatte. Sie schien unfähig, zu begreifen, daß das Geschäft mit jedem Tag näher an den Rand der Katastrophe trieb.
Was Arthur am meisten bedrückte, war, daß diese geschäftlichen Schwierigkeiten eine Barriere zwischen Patricia und ihm zu errichten drohten. Seit
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