Aufstand der Gerechten
sie. »Warum?«
So taktvoll wie möglich und ohne ihr das Gefühl zu geben, sie trage
irgendeine Schuld daran, erklärte ich ihr die Situation.
»Das kann nicht sein«, behauptete sie. »Sie haben einen Fehler
gemacht.«
»Das stimmt«, räumte ich ein. »Aber ich bin nicht der Einzige. Wir
haben eine Leiche und keinen Namen.«
»Ich kann nichts für Sie tun«, sagte sie. »Ohne Namen.«
Ich dankte ihr und wandte mich zum Gehen. Doch dann kehrte ich
nochmals um und fragte auf gut Glück: »War ein gewisser Lorcan Hutton hier
Patient?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen.«
»Könnten Sie bitte Mr Hughes fragen? Mr Hutton ist tot, ich bin
daher sicher, es macht ihm nichts aus.«
Wenige Minuten nachdem sie Hughes über die Gegensprechanlage gerufen
hatte, kam er aus dem Behandlungsraum und riss sich die blaue Papiermaske vom
Gesicht. »Ich bin außerordentlich beschäftigt. Ich stecke heute bis über beide
Ohren in Wurzelbehandlungen.«
»Ich stecke bis über beide Ohren in Leichen«, gab ich zurück. »Ich
wäre für ein wenig Hilfe sehr dankbar.«
Mit einem knappen Winken räumte er ein, dass da etwas dran sei.
»Was?«
»War Lorcan Hutton ein Patient von Ihnen?«
Hughes nickte der jungen Frau am Empfang – Karen – zu. Sie tippte
etwas in ihren Computer ein und schaute auf den Bildschirm. Dann sah sie Hughes
an und schüttelte den Kopf.
»Nein«, erwiderte Hughes.
»Was ist mit Ian Hamill?« Hamill war der einzige andere Name, den
ich in Verbindung mit Kielty hatte.
Ehe Karen nachsehen konnte, verzog Hughes das Gesicht und nickte.
»Ja. Ian ist einer von meinen Patienten.«
»Kann ich die Aufzeichnungen über ihn sehen?«
»Brauchen Sie dafür nicht einen Durchsuchungsbefehl oder so was?«,
fragte Hughes.
Ich machte mir nicht die Mühe, ihn darauf hinzuweisen, dass ich mich
als Angehöriger von An Garda hier sowieso außerhalb meines
Zuständigkeitsbereichs befand und jeder Durchsuchungsbefehl ohnehin wertlos
gewesen wäre.
»Ich will die Akte nicht lesen. Ich will nur wissen, ob sie sich am
richtigen Ort befindet.«
Hughes nickte Karen zu, und sie verschwand in einem Hinterzimmer.
Wir warteten schweigend. Die Schublade eines Aktenschranks wurde geöffnet und
geschlossen, dann kehrte Karen mit einem dünnen braunen Umschlag zurück, den
sie Hughes reichte.
Er zog einen Stoß weißer DIN-A5-Karteikarten heraus und sah sie durch.
»Das sind Ians«, stellte Hughes fest und reichte Karen den Umschlag
zurück. »Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann.«
»Das sind nicht die richtigen«, hörte ich Karen murmeln.
»Ich habe doch gerade selbst nachgesehen«, entgegnete Hughes
verärgert.
»Nein, der Inhalt ist schon richtig. Es ist nur so, dass sämtliche
Aufzeichnungen für Mr Hamill von derselben Person geschrieben wurden, seit
Jahren.«
»Was stimmt denn nicht damit?«
»Na ja, die hier sind alle von Elena geschrieben. Nur dass sie vor
fünf Jahren nicht hier gearbeitet hat. Sie hat Mr Hamills Aufzeichnungen neu
geschrieben.«
»Elena und wie weiter?«, fragte ich und spürte, wie mein Puls
beschleunigte.
Elena McEvoy hatte etwa sieben Monate lang in Teilzeit in
Hughes Zahnarztpraxis gearbeitet. In dieser Zeit hatte sie hauptsächlich
Sekretariatsarbeiten erledigt. Gelegentlich hatte sie Patientenakten
aktualisiert.
»Aber sie hat jede Karteikarte neu geschrieben, sogar die älteren,
an denen sie gar nicht hätte arbeiten dürfen«, erläuterte Karen und zeigte mir
Ian Hamills Unterlagen.
»Ist irgendwas Besonderes mit Ian Hamill?«, fragte ich. »Mr Hughes
hat sich sofort an den Namen erinnert.«
»Mr Hamill hat ein paar Probleme«, begann Karen und kam in
Tratschstimmung. »Manchmal mussten wir ihn wieder wegschicken, weil er zu
betrunken oder völlig high war. Lange zottelige Haare, die ihm ins Gesicht
hingen, unrasiert, fürchterlich stinkender Atem. Manchmal musste Mr Hughes so tun,
als würde er ihn behandeln, nur damit wir ihn loswurden. Eigentlich traurig«,
schloss sie.
Unterwegs zurück über die Grenze rief ich Patterson an.
»Sieht so aus, als ob die Leiche die von Hamill ist«, sagte ich.
»Wir brauchen eine offizielle Anforderung seiner ärztlichen Unterlagen zum
Abgleich, aber ich denke, seine Zahnarztakte wurde von Kieltys Freundin gegen
Kieltys ausgetauscht.«
»Womit der Mord weit im Voraus geplant worden wäre.«
»Genau. Am besten, wir besorgen uns auch seine ärztlichen
Unterlagen, damit dieser Schlamassel sich nicht wiederholt.«
»Können
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